Bis die Daemmerung uns scheidet
zögerte, dann fügte er hinzu: »Sei wirklich vorsichtig. Dich kann ich nicht so leicht ersetzen wie all das hier.«
Das war Myrnins Vorstellung von einem Kompliment. Wie nett.
SHANE
Claire ging zum Unterricht. Ich hatte einen freien Tag und fühlte mich irgendwie … verloren. Ich hätte nicht erneut ins Fitnessstudio gehen sollen, aber ich tat es trotzdem. Ich weiß nicht, warum, außer dass ich sowieso unterwegs war und es mir irgendwie richtig schien. Der Volltrottel an der Rezeption warf mir wieder diesen »Du-bist-Ungeziefer-und-ich-werde-dich-zerquetschen«-Blick zu, doch dann schaute er auf eine Liste und nickte mir zu. »Geh rein«, sagte er. »Das hat sich erledigt.«
»Was genau hat sich erledigt?«
»Für dich ist bezahlt«, sagte er. »Du kannst das Fitnessstudio umsonst benutzen.«
Mist. Da war es schwer, einfach wieder umzudrehen, deshalb ging ich durch die Tür, hinter dem mich der Geruch von Schweiß, Anstrengung, altem Leder, Metall und Verzweiflung empfing. Fitnessstudios riechen für mich nach Zuhause, vor allem seit Mom und Alyssa gestorben sind. Das Leben mit Dad lief danach auf Fitnessstudios, Bars, billige Hotelseife und Blut hinaus.
Es roch nach … Zuhause? Wenn das nicht krank war.
Ich probierte die Sauna aus, wo es superheiß und feucht war. Dann zog ich eine alte Jogginghose an, blieb aber barfuß, weil ich generell keine Angst vor Fußpilz habe, außerdem hatte ich sowieso vor, einen Sandsack windelweich zu prügeln.
Dazu bekam ich nicht die Gelegenheit. Ich trat aus der Sauna, Handtuch um den Hals, das feuchte Haar auf dem Gesicht klebend, da entdeckte ich im zweiten Stock das Mädchen, von dem ich geträumt hatte. Sie saß auf dem Treppengeländer – wie ein Vogel auf der Leitung.
Sie war es wirklich.
Ich hatte Claire nicht angelogen, nicht richtig zumindest. Ich hatte ehrlich geglaubt, dass es ein Traum gewesen war, weil es mir so gar nicht ähnlich gesehen hatte – das, was ich getan, gesagt, gedacht hatte. So ist das doch in Träumen, oder? Du bist nicht unbedingt du selbst.
Aber da war sie, genauso kurvenreich und knackig und toll wie vergangene Nacht in meinem Traum/Nicht-Traum/Eventuell-Traum.
Und sie lächelte auf mich herunter, als hätten wir ein Geheimnis miteinander. Ich wollte böse sein, wollte den Adrenalinstoß spüren, den ich in der Gegenwart eines Vampirs fast immer bekomme, doch was immer mein Gehirn dachte – mein Körper reagierte trotzdem auf sie wie auf ein hübsches Mädchen.
Ein hübsches Mädchen, das mich anlächelte.
»Hi, Shane«, sagte sie. Sie hatte eine wunderbare Stimme, tief und süß, und wenn sie sprach, klang es, als wäre nur sie im Raum. »Schön, dich hier zu treffen. Hast du über mein Angebot nachgedacht?«
Oh Mann. Es dauerte eine geschlagene Minute, bis mir wieder einfiel, von was für einem Angebot sie sprach. In diesem Lächeln lag eine ganze Reihe von Angeboten, die überhaupt nichts mit dem Fitnessstudio zu tun hatten. »Die Sparring-Gruppe für Fortgeschrittene«, sagte ich. »Stimmt’s?«
»Ja.« Ihr Lächeln wurde neckisch und wissend. »Was dachtest du denn?«
Hör auf. Hör sofort auf damit. Ein Teil von mir war wütend und versuchte, mich zu schütteln, bis ich endlich aufwachte. Aber das war nur ein sehr kleiner Teil, der Rest von mir war … ganz ruhig. Als wäre dies ein unausweichliches … Schicksal. Eine Bestimmung. Oder wie auch immer man das nennen wollte.
Aber letztendlich würde ich nicht irgendeinem Vamp-Mädchen hinterherrennen, ganz egal wie hübsch sie war. Das konnte ich Claire nicht antun und tief in meinem Inneren würde es immer diesen Teil von mir geben, an dem ein Vampir nicht rühren konnte. Das hoffte ich zumindest. Deshalb starrte ich geradewegs in ihre klaren blauen Augen und sagte: »Ich bin nur gekommen, um zu kämpfen, Lady.«
»Glory«, sagte sie. »Gloriana. Aber du kannst mich Glory nennen.«
Natürlich. Ich war ihr schon mal begegnet, dieses Mal konnte ich die Erinnerung glasklar vor mir sehen. Es war auf ihrer »Willkommen-in-Morganville«-Party gewesen, aber ich hatte sie nicht von Nahem gesehen. Sie hatte versucht, Michael abzuschleppen und hatte ihre Aufmerksamkeit gar nicht auf mich gerichtet. Ich habe sie damals schon ganz hübsch gefunden, aber nicht – total hübsch.
Nicht bevor sie dieses Lächeln und diesen Blick auf mich gerichtet hatte. Da verstand ich, wie hingerissen Michael damals gewesen sein musste. Es war, als würde ein Tsunami aus Hormonen über einen
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