Bis die Daemmerung uns scheidet
Mirandas Äußeres nachgedacht.
»Erklär mir doch mal, warum du mich gesucht hast«, sagte sie. »Hast du nur die Messerstecherei gesehen?«
»Ja«, sagte Miranda. Aber dann fügte sie schnell hinzu: »Nein. Da war noch etwas.«
»Was?«
Miranda blickte mit diesen seltsam beunruhigenden, leuchtenden Augen zu ihr auf. »Es geht um Shane. Ich glaube, er ist in Schwierigkeiten. Etwas stimmt nicht mit seinem Kopf. Ich kann es fast vor mir sehen.«
Claires Handy piepste – eine SMS. Sie las sie. Schockierenderweise war sie von Myrnin – sie hätte nicht gedacht, dass er überhaupt wusste, wie das geht. Offenbar hatte er sein Handy wiedergefunden.
Wo bist du, du törichtes Mädchen? Beeil dich!
Claire seufzte. »Verdammt! Kannst du es mir unterwegs erzählen?«
Natürlich konnte Miranda nur mit wenigen Einzelheiten aufwarten. Übersinnliche Vermutungen waren das Nutzloseste, was sich Claire denken konnte … es ging immer nur um Gefühle, Eindrücke und unverständliche Warnungen. Außerdem schien Miranda häufig die Dinge noch schlimmer zu machen, indem sie versuchte, sie zu verhindern. So wie heute. Die ganze Sache mit Gina wäre überhaupt nicht passiert, wenn Miranda nicht angerannt gekommen wäre und versucht hätte, es zu verhindern. Na ja, zumindest war es unwahrscheinlich.
Mirandas kaltblütig-brutale Rachegelüste beunruhigten Claire fast so sehr wie Ginas Psycho-Attacken.
»Versuchen wir es noch mal«, sagte sie, während sie die fast verlassene Straße entlanggingen, die zu der Sackgasse führte, in der sich der Eingang zu Myrnins Labor befand. »Du siehst also, dass Shane in Schwierigkeiten ist, weil er in einen Kampf gerät.«
Miranda nickte so energisch, dass ihr verworrenes Haar wippte. »In einen schlimmen Kampf«, sagte sie. »Und er wird verletzt. Ich kann nicht sagen, wie schlimm, aber ich glaube, er wird schwer verletzt.«
»Ist es Tag oder ist es Nacht.«
Miranda dachte mit gerunzelter Stirn darüber nach. Sie trat nach einer leeren Plastikflasche und zuckte zusammen, als in einem der Höfe, an denen sie vorbeikamen, ein Hund anschlug. Die Häuser in dieser Straße waren heruntergekommen, die Fenster vergittert. Nur das Day House am Ende der Straße sah hübsch und gepflegt aus. Es war das Ebenbild des Hauses, in dem Claire lebte und das Michael Glass gehörte. Aber selbst das Day House hätte mal einen neuen Anstrich vertragen können. »Kann ich nicht sagen«, sagte Miranda schließlich. »Es passiert innen. In einem Raum. Leute schauen zu. Es gibt Gitterstäbe.«
»Gitterstäbe?«
»Wie in einem Käfig.«
Das war auf widerliche Weise wahrscheinlich, denn Shane schien viel zu oft hinter Gittern zu landen. »Wie viele Leute?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist dunkel, ich kann es nicht sehen. Vielleicht viele? Nein … mehr. Mehr als viele. Von weit her.«
Das war total vage und überhaupt nicht hilfreich. Der Kampf – nun ja, das war ehrlich gesagt nichts allzu Außergewöhnliches. Shane war der geborene Kämpfer. Aber dass er schwer verletzt werden sollte – das war besorgniserregend.
»Hast du irgendeine Ahnung, wann das geschehen wird?«
Miranda schüttelte den Kopf. »Ich sehe es ziemlich deutlich, also vielleicht in ein paar Tagen? In einer Woche? Aber ich weiß es nicht. Manchmal ist das tückisch und verschwindet einfach wieder. Die Dinge sind nicht immer offensichtlich.«
»Okay. Na ja, danke. Ich werde versuchen, auf ihn aufzupassen.« Claire wusste, dass sie das niemals die ganze Zeit tun konnte. Ihn zu warnen, würde vielleicht helfen, aber sie kannte Shane – das würde das Problem auch nicht lösen. Wenn er es für notwendig hielt zu kämpfen, dann würde er es tun – ob er dabei verletzt wurde oder nicht.
»Du solltest nach Hause gehen«, sagte Claire. »Ich muss arbeiten. Mir?«
Miranda blieb stehen und sah sie an. Sie war gewachsen, bemerkte Claire. Miranda war jetzt größer als Claire und würde wahrscheinlich Eves Größe oder noch mehr erreichen.
»Komm morgen zu mir nach Hause«, sagte Claire. »Wenn Myrnin mich nicht braucht, gehen wir shoppen, okay?«
Miranda lächelte sie an – ein süßes, begeistertes, herzliches Lächeln, das ihr ganzes Gesicht zum Leuchten brachte. Nein, ihren ganzen Körper. So, als wäre es das erste Mal in ihrem Leben, dass man ihr so etwas anbot. »Okay!«, sagte sie. »Ich war noch nie shoppen.«
Claire blinzelte. »Noch nie?«
»Nein. Meine Eltern haben mir immer Sachen gekauft, bevor sie gestorben sind. Und
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