Bis die Daemmerung uns scheidet
gehe ich jetzt wohl. Gehst du auch raus?«
»Manche von uns müssen arbeiten.«
»Manche von uns haben verrückte Wissenschaftler als Boss, die ihnen freigeben, weil sie Gas ins Labor lassen.«
»Okay, du hast gewonnen.« Eve zwinkerte und schnappte sich ihre Sachen, während Claire ihre Tasche nahm. »Was für ein Jammer, dass ich euch nicht begleiten und vernünftig umstylen kann. Und warum trägst du eigentlich nie diese rosafarbene Perücke? Die ist der Hammer.«
Da hatte sie nicht unrecht. Die rosafarbene Perücke, die Eve sie praktisch gezwungen hatte zu kaufen, war tatsächlich der Hammer, aber wenn Eve nicht dabei war, war Claire viel zu gehemmt, um sie zu tragen. Die Leute schauten sie dann nämlich an. Claire war eher daran gewöhnt, unsichtbar zu sein.
Und bei all dem, was gerade passierte, war es durchaus ganz gut, unsichtbar zu sein.
Miranda stand draußen am Zaun, in einem sehr unmodischen Outfit – einem karierten Schulmädchenrock, der ihr bis über die Knie reichte und einem zerknitterten Oberteil in einer Farbe, die in einem besseren Licht moosgrün hätte sein können, aber überhaupt nicht zu diesem Rock und der restlichen Farbgebung passte. Ihr besorgtes Gesicht hellte sich auf, als sie Eve und Claire sah. Eve winkte und stieg in ihren großen schwarzen Leichenwagen und Miranda winkte zurück – begeistert wie ein Kind bei seinem ersten Umzug. Sie seufzte, während sie beobachtete, wie die Heckflossen um die Ecke bogen. »Sie ist so cool.«
»Das ist sie«, stimmte Claire zu. »Aber das bist du auch. Komm. Lass uns shoppen gehen.«
Wer in Morganville Klamotten kaufen wollte, hatte zwei Möglichkeiten: die Secondhandläden, von denen es drei gab, oder das eine Kaufhaus, das Billigmarken und Restbestände aus anderen Läden verkaufte. Nachdem Claire Mirandas Budget in Augenschein genommen hatte, führte sie sie zu den Secondhandläden. In den Laden neben dem Campus brachten oft College-Studenten ihre ausrangierten Kleider. Niemand war so modebewusst wie die TPU-Mädchen. Man hatte den Eindruck, die meisten von ihnen waren nicht in erster Linie wegen ihrer Ausbildung auf dem Campus.
Allerdings traf das genauso auf die Jungs zu.
Miranda folgte ihr glücklich zum ersten Secondhandladen. Sie sagte nicht viel, aber sie hatte ein Strahlen im Gesicht, das sie gesünder und glücklicher aussehen ließ, als Claire sie je erlebt hatte. Ein kleines bisschen Aufmerksamkeit und dieses Mädchen blühte auf. Das machte Claire schuldbewusst und traurig. Sie hatte sich nie so richtig um Miranda bemüht und sie wusste, dass das auch sonst niemand tat. Das Mädchen konnte zweifellos seltsam und verstörend sein, aber ansonsten war sie wie alle anderen.
Sie brauchte es, gesehen zu werden.
»Bitte schön«, sagte Claire und hielt ihr die Ladentür auf. Ein winziges fröhliches Glöckchen bimmelte über ihnen und Miranda blickte sich so begeistert um, als hätte sie so etwas noch nie gehört. Das konnte doch gar nicht sein, oder? Dass sie nicht wusste, wie eine Ladenklingel klang?
Womöglich doch.
Die Frau, die hinten im Raum hinter einem Ladentisch saß und vor sich hin döste, blickte auf und lächelte verschlafen. »Schaut euch einfach um, Mädels«, sagte sie. »Sagt mir Bescheid, wenn ihr etwas anprobieren wollt.«
»Okay«, sagte Miranda und blieb am ersten Kleiderständer stehen. »Oh. Wow. Ganz schön viel.«
»Ja, Kleines. Das hier ist aber nicht deine Größe. Hier. Schau das hier mal durch.« Claire beschwor unversehens Eve herauf, als sie Kleider hervorzog und vor Mirandas mageren Körper hielt, einige wieder verwarf und andere in der Hand behielt. Starke Farben standen ihr nicht, dafür aber Erdtöne. Schon bald zog Miranda auch selbst Kleider heraus und hielt sie an sich. Dabei starrte sie in den Spiegel, als würde sie darin eine Zukunft sehen, vor der sie endlich überhaupt keine Angst mehr zu haben brauchte.
»Kann ich sie anprobieren?«, fragte sie. Claire gab der Verkäuferin einen Wink, die die Umkleidekabinen aufschloss. Claire reichte Miranda Kleider über die Wand und lehnte sich an die Tür.
»Für dich nichts?«, fragte die Verkäuferin und zog die Augenbrauen nach oben. Claire spürte, wie ihr Blick gleich einem Laserstrahl über ihr Outfit wanderte. Sie war gerade gescannt und für mangelhaft befunden worden.
»Na ja, vielleicht ein Oberteil«, sagte sie. »Vielleicht.«
»Ich hab genau, was du brauchst.«
Und das hatte sie wirklich. Schließlich drehte sich Claire vor
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