Bis die Daemmerung uns scheidet
wie ein Zuhause. Nichts fühlte sich richtig an – am allerwenigsten ich selbst. Ich passte hier nicht mehr hin. Ich war gefährlich. Etwas stimmte nicht mit mir und ich konnte nicht riskieren, dass Claire verletzt wurde. Eves Gesicht, als ich sie fast geschlagen hätte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf – dieser erschrockene, wütende, gequälte Blick, den sie mir zugeworfen hatte.
Wie sich das Gesicht meines Dads in ihren Augen widerspiegelte.
Ich hasste Michael jetzt, und das wollte ich nicht. Er war mein bester Freund, mein Kumpel, mein Fels in der Brandung, aber in meinem Inneren zählte das irgendwie nichts mehr. Er war nur noch einer von ihnen.
Das tat weh. Sehr weh.
Als ich hörte, wie Eve sagte, dass sie heiraten würden … Das hat alles kaputt gemacht. Ich hasste ihn dafür – und konnte ihn doch nicht hassen. Nichts davon machte mehr einen Sinn. Ich hasste die Menschen, die ich eigentlich lieben sollte. Das galt nicht für Claire – sie war perfekt. Sie konnte ich nicht hassen.
Bis ich über Myrnin nachdachte. Bis mir wieder einfiel, was Jester gesagt hatte … Sie ist gekennzeichnet. Ich rieche den Biss an ihr. Das war nicht ihre Schuld, aber ich hasste es, dass Myrnin diesen Anspruch auf sie hatte. Wassily hatte mir Geld versprochen und er hatte mir welches gegeben. Außerdem hatte er mir und Claire die Möglichkeit angeboten wegzugehen.
Und die musste ich bald nutzen, denn sonst würde nichts mehr zu retten sein.
Claire war in der Küche und unterhielt sich mit Michael und Eve. Ein Gefühl schwappte über mich hinweg … Paranoia wahrscheinlich. Ich wusste, dass sie gerade versuchte, alles wieder in Ordnung zu bringen, damit wir uns zusammensetzen und so tun konnten, als wären die Risse, die sich aufgetan hatten, nicht breit genug, um hineinzufallen.
Aber das konnte ich nicht. Ich konnte es einfach nicht.
Ich stand auf und ging. Leise machte ich die Haustür hinter mir zu.
Ich war draußen im Dunkeln, ohne Schutz, das heißt ohne Vampire, die mit den Fingern schnipsen würden, um zu gewährleisten, dass man unversehrt herumlaufen konnte – nicht dass das auf diese Weise funktionieren würde, ganz egal, was sie einem versprachen. Ich hatte heute einen Brief bekommen: Ich war bei der Blutbank wieder überfällig, und wenn ich nicht bald auftauchte, um meine Steuern zu zahlen, würde das Blutmobil vorbeikommen. Sie waren nicht zimperlich, wenn es so weit kam. Sie kommen herein, schnappen dich, schnallen dich fest und stecken dir eine Nadel in die Vene, ob du willst oder nicht.
Manchmal vergessen sie auch, die Nadel wieder rauszunehmen, nachdem ein halber Liter abgezapft wurde. Oder ein ganzer Liter. Oder anderthalb.
Manchmal kamen die Leute einfach nicht wieder heraus.
Das würde ich auf keinen Fall noch mal mitmachen. Ich war kein Teil von diesem System. Ich würde von hier abhauen und Claire mitnehmen.
Ich ging zum Fitnessstudio. Wenn mir da draußen in der Dunkelheit Vampire auflauerten, würde ihnen das noch leidtun. Das mussten sie gespürt haben, denn ich kam ohne Zwischenfälle dort an. Ich schwitzte und meine Haut dampfte, obwohl der Wind kalt war. Aber ich fühlte mich zittrig. Leer. Nicht hungrig, sondern durstig.
Als ich hinter der Tür verschwunden war, auf der PRIVAT stand, machte ich zuallererst eine der Sportflaschen aus dem Gemeinschaftskühlschrank auf und stürzte einen Proteindrink hinunter. Dann noch einen. Und noch einen. Nach dem dritten fühlte ich mich wieder stabil. Unter Kontrolle. Fokussiert.
Stark.
»Hey, Mann«, sagte Greg, ein anderer Mensch, der hier trainierte. Er war ein Bodybuilder, vollgepackt mit falschen Muskeln, da er Steroide nahm. Aber er war trotzdem cool. Ein Steroidrausch war im Ring von Vorteil. Wir klatschten uns im Vorbeigehen ab, dann setzte ich mich mit fünf anderen auf eine Bank und wartete auf eine Gelegenheit, in den Ring zu steigen. Shiemaa war das einzige Mädchen – kahl geschorener Schädel, widerstandsfähig, wie mit einem Körper aus Stahl. Sie stieß ihre Faust gegen meine, die anderen taten es ihr nach. Alle ziemlich verrückt.
»Ich habe gehört, dass Stinke-Doug ins Gras gebissen hat«, sagte Shiemaa über meinen Kopf hinweg zu Keith, einem anderen Bodybuilder, dessen Arme ungefähr den Umfang von Shiemaas Kopf hatten. »Jemand hat gesagt, er hätte geplaudert. Stimmt das?«
»Ich glaube schon«, sagte Keith. »Verrückter kleiner Bastard. Er hätte es nicht durchgehalten – kein Feuer im Hintern –, aber er konnte
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