Bis die Daemmerung uns scheidet
dass er litt, aber Michael schien dieser Gedanke zu erfreuen. »Der Punkt ist, dass Frank an viele Sensoren, Kameras, Handynetze und das Internet angeschlossen ist … Die Website, die wir uns angeschaut haben, ist aber wahrscheinlich verschlüsselt, denn er hat erst angefangen zu schreien, als wir darüber gesprochen haben. Er konnte die Website nicht sehen.«
»Jemand kennt sich gut genug aus, um Vorkehrungen zu treffen«, stimmte Michael zu. »Jemand aus dem Vampirteam.«
»Zum Beispiel Wassily«, sagte Eve. »Oder Gloriana, das Miststück.«
»So schlimm ist sie gar nicht.«
»Michael, vielleicht hörst du jetzt besser auf, sie dauernd zu verteidigen, sonst werde ich dir etwas abschneiden müssen – und das wird wehtun.«
»Autsch.«
»Verlobte«, sagte Eve und deutete mit ihrem schwarz lackierten Fingernagel auf ihre Brust. »Verteidige sie nicht vor mir. Sie hat versucht, dich in ihre Höhle zu locken.«
Claire meinte, Michael lächeln zu sehen, aber wenn das so war, ließ er das Lächeln schnell wieder verschwinden. »Wem könnte Frank es erzählen? Myrnin?«
»Vielleicht«, sagte Claire. »Und Myrnin wird es bei Amelie ausplaudern und dann …«
»Und dann bekommen die Vampire, die da mit drinhängen, einen Klaps auf die Hand und die Menschen, die darin verwickelt sind, sind tot«, sagte Eve. Michael bog links ab. Claire hatte keine Ahnung, wo sie gerade waren. Draußen vor dem Fenster war alles schwarz. Michael war der Einzige, der mit seiner übernatürlichen Sehkraft irgendetwas erkennen konnte. »Wir hätten das Portal benutzen sollen.«
»Und was ist, wenn Frank beschließt, die Portale abzuriegeln, um uns am Gehen zu hindern?«, sagte Michael. »Ich habe gern mein eigenes Verkehrsmittel dabei.«
Da hatte er recht. Claire traute dem Portalsystem auch nicht, das Amelie und Oliver – manchmal auch Myrnin – benutzten, um in der Stadt herumzuschleichen. Klar war es ein erstaunliches Zauberwerk, wenn es nicht gerade aufhörte zu funktionieren. Sie hatte schon gesehen, was passierte, wenn es mitten in einem Transportvorgang ausfiel. Das Ergebnis war alles andere als schön gewesen.
Michael bremste. »Wir sind da.«
»Vielleicht solltet ihr …«
»… mit hineingehen«, vollendete Eve den Satz. »Wir wollen dich ja nicht auf dem Gehweg zurücklassen wie ein ausgesetztes Hündchen, Claire. Du weißt, dass wir das nicht machen.«
Das wusste sie und dafür war sie dankbar. Sehr dankbar.
Sie gingen durch die Gasse, in der der Lichtschein der kleinen Taschenlampe, die Eve stets für Notfälle in ihrer Handtasche hatte, auf unheimliche Weise auf und ab hüpfte. Kurz bevor sie das Labor erreichten, hatte Michael jedoch noch eine weitere Frage. »Weiß es Shane? Weiß er, dass sein Dad noch so etwas wie am Leben ist?«
»Nein«, gestand Claire. »Ich wollte es ihm nicht sagen. Damals war es noch zu früh. Er hatte sich gerade damit abgefunden, ihn zu verlieren. Ich hätte es nicht ertragen, ihm noch mal so wehzutun.«
»Wahrscheinlich hätte ich das auch so gemacht«, sagte Michael.
»Danke.«
»Bedank dich nicht. Dass ich dasselbe getan hätte, heißt noch lange nicht, dass es das Richtige war.«
Das war nicht gerade tröstlich. Claire dachte darüber nach, während sie die schiefe, verfallene Hütte betraten, die am Ende der schmalen Gasse stand, und die unbeleuchtete Treppe hinunterstiegen, die in Myrnins Labor führte.
Sie rechnete damit, Myrnin anzutreffen, aber er war nicht da. Sie fand den Lichtschalter und machte die Wandleuchter an. Das Labor war wie immer unordentlich – halb Steam-Punk-Trödelladen, halb Müllkippe. Sie hatte ihm noch nicht abgewöhnen können, überall Bücherstapel zu hinterlassen, die unter anderem die Wege zwischen den Labortischen blockierten. Offenbar hatte er gerade eine neue Lieferung bekommen. Noch mehr Alchemiebücher. Oben auf dem Stapel lag eines mit grellem schwarz-gelb-weißem Einband und dem Titel Alchemie für Idioten. Das hatte er wahrscheinlich für niemand anderen als sie ausgesucht.
In diesem Moment tauchte ein flackernder schwarz-weißer Geist in Motorradkluft am anderen Ende des Labors auf, der rasch auf sie zukam, wobei er durch alles hindurchging, was ihm im Weg stand … Bücherstapel, Labortische und Eve, die in diesem Moment in die andere Richtung geschaut hatte. Sie kreischte und sprang zurück, als Frank Collins Arm durch ihren Magen fuhr. »Hey!«
Er lächelte. Mit seinem zerfurchten, vernarbten Gesicht war das ein schauriger
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