Bis die Daemmerung uns scheidet
du nicht machen, Claire. Du hast gesehen, wie er sich aufgeführt hat. Wenn du allein hingehst, könnte er … könnte er dir wehtun. Ich weiß, du glaubst nicht, dass er das tun würde, aber ich habe ihn gesehen. Ich weiß, dass das passieren könnte. Es gefällt mir nicht und ich wünschte, es wäre nicht wahr, aber … du kannst dieses Risiko nicht auf dich nehmen.«
»Du und Michael, ihr nehmt dieses Risiko auch die ganze Zeit auf euch«, sagte Claire und trat vor, um Eves Halsband zu berühren, unter dem sich die Bissspuren verbargen. »Du vertraust darauf, dass er schon weiß, wie weit er gehen kann, nicht wahr? Und ich vertraue Shane. Ich muss ihm vertrauen.«
»Na ja … sie werden dich niemals hineinlassen«, sagte Eve, aber sie klang eher zweifelnd als endgültig. »Du wirst nicht am Türsteher vorbeikommen.«
Claire sah ihr in die Augen und versuchte, all ihren Kummer und ihre Leidenschaft hineinzulegen. »Ich muss aber«, sagte sie. » Bitte versteh das.«
Endlich nickte Eve widerwillig. Als Michael etwas einwerfen wollte, schüttelte sie nachdrücklich den Kopf. »Sie hat recht, Mike. Auch in Bezug auf das, was Shane von Vampiren hält. Wenn sich einer von uns dort blicken lässt, eskaliert das Ganze. Wenn sie allein geht, ist es persönlicher. Und ganz egal wie durchgedreht Shane inzwischen ist, ich kann nicht glauben, dass er ihr etwas tun würde, jedenfalls nicht absichtlich.«
Michael hatte da offenbar seine Zweifel, aber er hob beide Hände zum Zeichen der Kapitulation. »Erst mal warten wir ab, ob er morgen nach Hause kommt«, sagte er. »Wenn nicht, fahren wir dich zum Fitnessstudio und warten auf dich – und Frank verfolgt dein Signal. Beim geringsten Anzeichen von Schwierigkeiten drückt er auf den Alarmknopf und alles ist möglich. Ach, und wir sagen Amelie Bescheid. Sofort, ganz gleich, wie das Gespräch mit Shane verläuft.«
Claire gefiel das zwar nicht besonders, aber sie erkannte, dass es klug war. Da sie jetzt wusste, dass Frank auch die Kamera ihres Handys nutzen konnte, war es möglich, ihn bei allen Geschehnissen direkt zuschauen zu lassen.
»Ich gehe morgen hin«, sagte sie. »Wenn er heute Nacht nicht nach Hause kommt.«
»Wartet«, sagte Frank. »Was ist mit dieser Website?«
»Können Sie den Zugang sperren?«
»Nur für die Leute innerhalb der Stadt.«
»Wie wäre es, wenn Sie eine Art Angriff starteten? Einen Virus zum Beispiel oder eine Dienstverweigerung?«
Frank blinzelte. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Hör mal, ich war noch nie ein Internetfreak. Und das hat sich auch nicht geändert, seit ich mich in diesem … Zustand befinde. Ich habe keine Ahnung, wie man eine Verweigerung von was-auch-immer macht. Und ich habe keine Viren.«
»Was, wenn ich Ihnen welche gebe?«
»Versuch es und du brauchst dir nie wieder Gedanken darüber zu machen, wie es meinem Sohn geht.«
»Okay, klar. Vergessen Sie’s«, sagte Claire. »War nur so eine Idee. Offensichtlich keine besonders gute.«
»Schlimm genug, dass ich auf diese Weise hier festsitze, da brauchst du mir nicht noch mit irgendwelchen Ideen kommen, die mich so krank machen wie die Letzte, die diesen Job hier übernehmen musste.« Damit meinte er Ada, Myrnins frühere Assistentin. Und Freundin. Claire war plötzlich froh, dass sie die Sache mit dem Virus nicht vorgeschlagen hatte, als Myrnin da war, denn er wäre bestimmt alles andere als glücklich darüber gewesen.
Und als hätte sie ihn durch ihre Gedanken angelockt, wandte sich Frank in diesem Moment der Portaltür an der Seite des Labors zu. »Er kommt zurück«, sagte er. »Niemand erzählt ihm etwas.« Und damit verschwand Frank einfach und hinterließ nur ein abschließendes zischendes Rauschen in Claires Handy-Lautsprecher. In einem offenen Durchgang entstand ein schwarzer Fleck, der sich kräuselte und in etwas verwandelte, was wie das Abbild einer schlecht beleuchteten Bibliothek aussah.
Myrnin trat hindurch und das Portal fiel hinter ihm in der Dunkelheit in sich zusammen. Er verriegelte die Holztür und schob das Bücherregal als zusätzlichen Schutz davor. Ohne sich umzudrehen, fragte er: »Was verschafft mir das Vergnügen eurer Gesellschaft, ihr uneingeladenen Gäste?« Er klang nicht gerade begeistert.
»Ich … ich musste etwas nachschauen«, sagte Claire. »Tut mir leid. Wir wollten gerade gehen.«
»Ach ja?« Er drehte sich um und verschränkte die Hände hinter sich. Er war förmlich gekleidet und ganz offensichtlich irgendwo
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