Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
den engen Laderaum. Ich schaute hinüber und sah Robyn und Linda, die nebeneinander auf dem Boden saßen, beide mit dem Rücken an die Wand gelehnt.
»John!«, sagte Robyn und ihr Gesicht hellte sich auf. »Gott sei Dank … ich dachte, du lägst in so ’nem beschissenen Koma.«
Ich lächelte sie an. »Du fluchst zu viel.«
Sie lachte, stand auf und kam zu mir rüber.
Ich schaute zu Linda. »Alles okay?«
Sie nickte.
Ich nickte zurück und wandte mich wieder Robyn zu, die sich neben mich hockte. »Hey, Bruder«, sagte sie und wuschelte mir durch die Haare. »Wie geht’s?«
Ein wunderbares Gefühl von Wärme wogte auf einmal durch meinen Körper, ein Ansturm von Zärtlichkeit, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt hatte, und als ich merkte, wie sie sich in meinem Kopf ausbreitete und mir in die Augen stieg, war es auf einmal alles zu viel für mich.
Etwas Süßes, Chemisches stieg mir in die Kehle und ich konnte nichts tun gegen diese Übelkeit, sondern mich nur vorbeugen und alles auf den Boden erbrechen.
»Tut mir leid«, sagte ich, während ich mich aufsetzte und mir den Mund abwischte. »Ich konnte Schiffstouren noch nie leiden.«
»Wenigstens bist du nicht tot«, sagte Robyn. »Tait hat mir gesagt, Stevie würde dich mit so viel Schnee vollpumpen, dass das nicht mal ein scheiß Pferd überlebt.«
»Das hab ich ihm ausgeredet.«
»Echt?«
Ich nickte.
Sie grinste. »Das hätte doch wieder voll zu meinem Glück gepasst, was? Ich finde raus, dass ich einen lange verschollenen Bruder hab, und zehn Minuten später ist er tot.«
»Halbbruder«, korrigierte ich.
»Halb reicht mir.«
Ich lächelte. »Wie geht’s dir überhaupt? Ich meine, du weißt schon …«
»Ja, alles okay. Die haben mir im Laden noch einen Schuss gegeben, um mich ruhig zu stellen … ich schwebe, verdammt.« Sie schaute sich um und lächelte traurig. »Gutes Zeug. Ich hoffe nur, die tun das, was sie vorhaben, ehe die Wirkung nachlässt und ich die Wände hochgehe.«
Ich schaute hinüber zu Linda. »Wie lange sind wir schon unterwegs?«
»Nicht lange … fünf oder zehn Minuten.«
»Alles okay?«, fragte ich sie wieder.
Sie seufzte. »Ja, alles in Ordnung. Ich bin nur ziemlich angefressen … Ich meine, ich wusste ja, dass Tait Boon und Gorman in der Hand hat, aber ich dachte, er bezahlt sie nur dafür, dass sie weggucken und den Mund halten. Ich hätte nie gedacht, dass die Arschlöcher tatsächlich für ihn arbeiten.« Sie schüttelte vor Abscheu den Kopf. »Die haben mich verhaftet, verdammt … die sind mit so einem Riesenarschloch in meine Wohnung gekommen, einem echten Schlägertypen, und haben mich verhaftet … die haben mich allen Ernstes in Handschellen abgeführt, verfluchte Scheiße.«
»Ja, okay«, sagte ich leicht irritiert. »Wir sind alle angefressen, klar? Wir haben alle eine schwere Zeit hinter uns. Aber Selbstmitleid hilft uns jetzt auch nicht weiter, oder?«
Linda starrte mich wütend an. »Wenn du nicht gewesen wärst – «
»Ja, klar«, sagte ich müde. »Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre überhaupt nichts passiert, stimmt’s? Niemand wäre tot, wir wären nicht hier … alles wäre verdammt wunderbar.«
»So habe ich das nicht gemeint«, sagte Linda leise. »Ich wollte nur sagen – «
»Wieso hast du mir nichts von dem Tunnel erzählt?«, fragte ich sie. »Du musst doch gewusst haben, dass es ihn gibt. Dir muss doch klar gewesen sein, wie die Chelseys Leiche verstecken konnten.«
»Hör zu, es tut mir leid, okay? Aber wenn ich alles erzählt hätte, hätte das unsere Ermittlung gefährdet. Das ging einfach nicht.«
»Hätte auch keinen Unterschied gemacht«, sagte ich.
»Wie meinst du das?«
Ich seufzte. »Tait weiß sowieso alles. Er hat die ganzeZeit alles gewusst. Über dich, Robyn, Mark, über die ganze Operation … er hat die ganze Zeit Bescheid gewusst.«
Linda schüttelte den Kopf. »Das ist unmöglich … wie konnte er denn was wissen?«
»Geld«, sagte ich bloß. »Jeder hat seinen Preis.«
»Ja, aber – «
»Und ich wär nicht überrascht, wenn es Tait war, der Robyn als deine Informantin aufgebaut hat.«
Linda schüttelte den Kopf. »Das ist lächerlich.«
»Von mir aus, spielt sowieso keine Rolle. Jetzt nicht mehr.« Ich schaute mich im Laderaum um. »Jetzt geht es nur darum, wie wir hier rauskommen.«
»Was meinst du, wo sie uns hinbringen?«, fragte Robyn.
Ich sah sie an. »Du hast nicht zufällig eine Zigarette dabei, oder?«
Sie schüttelte den Kopf.
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