Bis ich dich finde
Karos grau und
kastanienbraun – die vertrauten Farben von St. Hilda. Er folgte dem Licht zum
Ende des Gangs und ging die Treppe hinunter, um Mrs. Machado zu trösten, so gut
er konnte. Jack konnte sie in der Eingangshalle sehen, wo sie die Standuhr
belauerte, als wäre die ein Angreifer. Als sie auf dem linken Fußballen stand,
war er beeindruckt von der perfekten Haltung des zutretenden rechten Beins: Ihr
erhobener Fuß stand in rechtem Winkel zu ihrem Knöchel, wie der drohend
aufgerichtete Kopf einer Kobra.
[322] Jack hätte etwas sagen oder sich wenigstens räuspern sollen, doch
Mrs. Machado konzentrierte sich so stark, daß er fürchtete, sie zu erschrecken.
Sie atmete auch zu schwer, um die Schritte des Jungen auf der Treppe zu hören –
ihre Atemzüge klangen wie kurze, unterdrückte Schluchzer. Tränen rannen ihr über
die Wangen, sie war schweißüberströmt, das ärmellose schwarze Oberteil war aus
der hellblauen Gymnastikhose gerutscht, und ihre schweren Hängebrüste schwangen
hin und her, während sie sich auf dem linken Fuß – dem Angelpunkt, um mit Krung
zu sprechen– drehte und mühsam das Gleichgewicht bewahrte.
Sie sah Jack wohl teilweise im Glas der Standuhr gespiegelt: einen
halbnackten Mann, etwa so groß wie sie selbst oder ein wenig größer, und er
schlich sich von hinten an sie an. Jack stand noch auf der zweiten oder dritten
Stufe, als Mrs. Machado ihn bemerkte, und vielleicht schätzte sie deshalb seine
Größe falsch ein. (Und vielleicht pflegte ihr Exmann sich beinahe ganz
auszuziehen, bevor er über sie herfiel.) Das scharfe Quietschen ihres
Fußballens ließ Jack erstarren. Die Präzision, mit der sie zutrat, hätte Mr.
Bangkok stolz gemacht, trotz seiner puristischen Bedenken gegenüber solchen
Kicks. Jack stand noch auf der Treppe, und daher traf Mrs. Machado ihn tiefer,
als er erwartet hatte, nämlich genau in die Eier. »Ha!« schrie sie.
Jack fiel in sich zusammen wie leere Boxershorts. In Fötushaltung
zusammengekrümmt lag er in der großen Eingangshalle. Seine Hoden, die sich
plötzlich anfühlten, als wären sie so groß wie Grapefruits, schienen in seine
Kehle hinaufgerutscht zu sein. »Oh! Oh! Oh!« rief Mrs. Machado und hüpfte noch
immer auf einem Fuß.
Jack wollte nur sterben oder sich wenigstens erbrechen, doch ihm
gelang weder das eine noch das andere. »Ich komme schnell zur Rettung, mit Eis,
viel Eis!« rief Mrs. Machado aus der Küche.
Sie half ihm auf und trug ihn die Treppe hinauf, dabei [323] baumelte
ein Plastikbeutel voller Eiswürfel an ihrem Mund. »Jack, Jack, mein armär
Liebling!« stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
Sie breitete ein großes Handtuch über sein Bett und zog ihm die
Boxershorts aus. Jack hatte seinen Kleinen ja bereits Emma und ihren
Freundinnen gezeigt und empfand nicht so sehr Scham als vielmehr Beklommenheit
angesichts der Eismassen. Mrs. Machado dagegen schien entsetzt, wie klein sein
Penis war. Vielleicht hatte sie nur Töchter. (Oder wenn es Söhne waren, dann
lag deren Kindheit vielleicht schon zu weit zurück; vielleicht hatte Mrs.
Machado die lächerliche Winzigkeit ihrer Hoden und Penisse einfach vergessen.)
»Ist är kleinär?« fragte sie besorgt.
»Kleiner als was?«
»Kleinär als är war, bevor ich dich gekickt habe.«
Jack blickte kurz an sich hinunter, doch alles sah aus wie immer.
Seine Hoden schmerzten, sein Penis pochte, und vielleicht war sein Kleiner ein
bißchen geschrumpft bei dem Gedanken an das viele Eis, das Mrs. Machado nun
daraufpackte.
»Es fühlt sich kalt an. Es tut mehr weh.«
»Es wird gleich nicht mär weh tun, Jack.«
»Aha. Wie lange muß das Eis draufbleiben?«
»Finfzehn Minuten.«
Das schien lange genug, um seinen Penis erfrieren zu lassen, dachte
Jack. »Haben Sie schon mal einen Penis gekühlt?« fragte er Mrs. Machado.
»Nicht so.«
Sein Penis fühlte sich so kalt an, daß Jack zu weinen begann. Mrs.
Machado legte sich neben ihn und wiegte ihn in den Armen. Sie sang ein
portugiesisches Lied. Nach zehn Minuten zitterte Jack noch immer, doch seine
Zähne klapperten nicht mehr. Um ihn zu wärmen, legte Mrs. Machado sich auf ihn;
ihre Brüste waren wie ein dickes Sofakissen, das zwischen ihn und sie geklemmt
war. »Ich fihle das Eis auch«, sagte sie nach einer Weile. [324] »Ist nicht so
schlimm.« Der Schmerz war vergangen, seine Hoden waren taub, und seinen Penis
spürte er gar nicht mehr.
Nach fünfzehn Minuten nahm Mrs. Machado den Eisbeutel fort.
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