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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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gibt. Doch Jack fand
sich wieder einmal in einer Situation wieder, in der ältere Frauen seine gefährlichsten
Gegner waren. Als der Junge eine Jamaikanerin mit dickem Hintern fragte, ob sie
seinen Freund Peewee kenne, sagte sie: »Behalt deinen Peewee mal lieber schön
für dich, Mann.« Jack war erleichtert, daß sie zu schwer war, um seine
Trainingspartnerin zu sein.
    Statt dessen wurde er einer Portugiesin von Mitte Vierzig
zugewiesen. Mrs. Machado erzählte ihm, ihre erwachsenen Kinder seien
ausgezogen, so daß sie nun schutzlos den Angriffen ihres gewalttätigen Exmannes
ausgesetzt sei. Ständig müsse sie das Schloß an ihrer Wohnungstür auswechseln
lassen. Ihr Exmann fordere von ihr noch immer die Erfüllung der ehelichen
Pflichten, obwohl sie doch gar nicht mehr seine Frau sei. Und weil er
wiederholt in ihre Wohnung eingedrungen sei, um sie zum Sex zu zwingen oder zu
verprügeln, lerne sie nun, sich zu verteidigen.
    Aus ähnlichen Motiven interessierten sich die Frauen in Krungs
Anfängergruppe besonders für den hohen Kick in den Unterleib. (In Jacks Fall
bedeutete das, daß Mrs. Machado ihm gegen Brust oder Kehle trat.) Nach Meinung
des ehemaligen Mr. Bangkok war der hohe Kick in den Unterleib »unrein«, doch
sowohl für Jack als auch für die Frauen ging es beim Streben nach Beherrschung
dieses Kicks um weit mehr als die Reinheit des Stils. Sollte ein älterer Junge ihn
drangsalieren, dann war Jack durchaus bereit, den hohen Kick in den Unterleib
einzusetzen.
    Mrs. Machado war keine leichte Trainingspartnerin. Sie war klein und
untersetzt, hatte krauses, schwarzes, glänzendes Haar [318]  und Hängebrüste und
blockte die meisten seiner Kicks mit ihren dicken Oberschenkeln oder durch eine
Seitwärtsdrehung, so daß er nur ihre breiten Hüften traf. Und so klein sie auch
war – Jack war kleiner. Er war eins vierundvierzig groß und wog vierunddreißig
Kilo. Mrs. Machado war eins dreiundsechzig groß und wog siebzig Kilo. Sie
konnte erheblich härter zutreten als er.
    »Du hättest mehr davon, wenn du mit ihr ringen würdest«, sagte
Tschenko zu Jack. »Du mußt nur aufpassen, daß du nicht unter ihr landest.«
    Tschenko respektierte Krung und die geübteren Kickboxer, doch für
die Frauen in der Anfängergruppe – einschließlich Mrs. Machados – hatte er nur
Verachtung übrig. Sie hatte einen guten Tritt, aber sie war nicht sehr
beweglich. Nach Tschenkos Meinung würde sie nie imstande sein, sich mit Kicks
gegen einen Angriff ihres Mannes zu wehren. Sie würde ihn mit dem ersten Tritt
verletzen müssen, doch wenn der nicht traf, würde der Kampf vorbei sein.
Tschenko fand, Mrs. Machado täte besser daran, Ringen zu lernen.
    Was Jacks prospektive Selbstverteidigung betraf, so glaubte
Tschenko, daß er sich – sei es mit Kickboxen oder Ringen – erst dann
einigermaßen erfolgreich werde wehren können, wenn er ein paar Zentimeter und
zwanzig bis dreißig Kilo zugelegt hätte. »Noch sehe ich hier nichts, was das
Geld deiner Mutter wirklich wert wäre«, sagte er zu Jack – das war, nachdem
Jack und Mrs. Machado etwa eine Woche auf einander eingetreten hatten.
    Aber war es nicht Mrs. Oastlers Geld? (Sie jedenfalls bekam etwas,
was ihr Geld wert war, nahm Jack an.) Morgens, noch bevor seine Mutter
aufgestanden war, fuhr Leslie Oastler ihn zur Sporthalle in der Bathurst
Street. Dort blieb er den ganzen Tag. Er kickboxte mit Mrs. Machado, er hüpfte
fünf Minuten lang auf einem Bein, er dehnte und streckte, denn das Ziel war,
mit dem zutretenden Fuß über Schulterhöhe zu kommen, ohne das Gleichgewicht zu
verlieren.
    [319]  Jack rollte mit Tschenko die Matten aus, desinfizierte sie und
wischte sie trocken. Er brachte den Ringern und Kickboxern saubere Handtücher,
Trinkflaschen und in Viertel geschnittene Orangen. Wenn am Nachmittag die
Minskies kamen, setzte Jack sich zu Tschenko an den Mattenrand und sah den
beiden Taxifahrern beim Training zu. Sie waren etwa so schwer wie Mrs. Machado,
aber schlanker – zwei sehr harte Brocken von Ende Zwanzig, Anfang Dreißig.
Boris und Pawel hatten ähnliche Stiernacken wie Tschenko, ihre Augenbrauen
bestanden praktisch nur aus Narbengewebe, und ihre Ohren sahen aus wie
Teigklumpen, beinahe so schlimm wie Tschenkos Blumenkohlohren.
    Die Technik, die Jack von ihnen lernte, war rudimentär – die meisten
Griffe dienten der Abwehr: Russische Armklammer und Kopfklammer, Nackenhebel
und eine spezielle Zange. In Oberlage war Boris sehr gefährlich, denn

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