Bis ich dich finde
anderes, etwas Wirkliches.«
Noch eine Tellerwäscherin? dachte Jack, doch er erkannte die Stimme
und das blasse, verwaschene Blau der Augen: Es war Molly Soundso, Ed McCarthys
Exfreundin. ( Penis McCarthy, wie Herman Castro ihn
wenig liebevoll nannte.)
»Hallo, Molly«, sagte Jack. Er ging um das Regal herum zu ihr.
» Ich sollte deine Freundin sein«, sagte
Molly. »Ich weiß, daß du deine Schwester liebst, und die ist häßlich. Und ich
bin auch häßlich.«
»Nein, du bist nicht häßlich, Molly.«
»Doch«, sagte sie. Sie war offenbar nicht ganz bei sich. Außerdem
hatte sie eine Erkältung: Ihre Nase lief und war gerötet. Molly Soundso lehnte
sich an das Regal und schloß die Augen. »Nimm mich«, flüsterte sie.
Jack wußte nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er tat keins von
beiden. Aus einem Impuls, der größtenteils darauf abzielte, ihr so wenig wie
möglich weh zu tun, sank er auf die Knie und hob ihren Rock. Er drückte sein
Gesicht an ihren Bauch, legte die Hände auf ihren Hintern und zog ihren Slip
herunter.
[429] In der zweiten Etage der Bibliothek von Exeter leckte Jack Burns
eine Zehntkläßlerin, eine Sechzehnjährige! Von Mrs. Machado und Mrs. Stackpole
wußte er genau, was er zu tun hatte; der Unterschied war, daß diesmal er
derjenige war, der die Initiative ergriff. Er spürte Mollys Finger in seinem
Haar, sie zog seinen Kopf in ihren Schoß. Er spürte, wie sie leicht in sich
zusammensank, als sie kam – nicht gerade eine klassische Bibliothekserfahrung.
Und das Schlimmste war, daß er ihren Nachnamen nicht kannte – er konnte ihr
nicht einmal einen Brief schreiben, in dem er ihr sein Verhalten erklärte.
Jack ließ sie zwischen den Regalen stehen. Im Gegensatz zu Michele
Maher war Molly nicht so groß, daß er sie nicht auf die Stirn küssen konnte,
als wäre sie ein kleines Mädchen. Als er sie verließ und als Grund lediglich
angab, er müsse für die Geschichtsprüfung lernen, kam es ihm so vor, als würden
ihre Knie nachgeben.
Jack fand einen Trinkbrunnen, an dem er sich das Gesicht waschen
konnte. Als er sich wieder in seine Lesekabine setzte, war ihm bewußt, daß
Madame Delacorte vermutlich fand, er sei lange fort gewesen – ganz zu schweigen
davon, daß er schwer abgelenkt war. Vielleicht war sein Blick ein bißchen irr,
vielleicht war es aber auch irgend etwas anderes im Gefolge dieses
Spontan-Cunnilingus, das Madame Delacorte auffiel.
»Du liebe Zeit, Jack Burns«, sagte sie, »was in aller Welt hast du
nur gelesen? Bestimmt kein Buch über römisches Recht.«
Ihr singender Tonfall klang eher schelmisch als bibliothekarisch.
Flirtete sie mit ihm? Er brachte es schließlich über sich, sie anzusehen, doch
was Madame Delacorte dachte, lag für ihn ebenso im dunkeln wie seine Zukunft.
Er wußte nur, daß der Rest seines Lebens begonnen hatte, und zwar ohne Michele
Maher, seiner ersten und vielleicht letzten wahren Liebe.
[430] 18
Auftritt Claudia, Abgang Mrs. McQuat
Jack Burns sah seine Collegejahre wie durch ein
umgekehrtes Teleskop – sowie man das Objekt einer Begierde betrachtet, die
später gestillt werden wird, so wie man etwas betrachtet, wenn man Zeit hat.
Die University of New Hampshire war wie ein außerplanmäßiger Aufenthalt auf
Jacks Reise nach anderswo. Er bekam gute Noten, wie
er sie in Exeter niemals bekommen hätte, er schloß sogar mit cum laude ab, doch er war nicht mit dem Herzen dabei.
In der Theatergruppe bekam er jede Rolle, für die er vorsprach, aber
es gab nicht viele, die er wollte. Und er sah sich alle ausländischen Filme an,
die nach Durham kamen, gewöhnlich nicht allein. Wenn er mit einer Frau ins Kino
ging, mußte sie seinen Penis halten. Nur wenige waren dazu bereit.
Meist war es Claudia, die im Hauptfach Theaterwissenschaften
studierte. Es gab auch eine Japanerin namens Midori; sie war in einem der
Aktzeichenkurse, für die Jack Modell stand. Er war das einzige männliche Modell
in allen Aktzeichenkursen. Mr. Ramsey hätte gesagt, es sei eine Gelegenheit zum
Schauspielern – und außerdem wurde Jack dafür bezahlt. Ihm ging es dabei nicht
so sehr darum, sich auf sein Einmannpublikum zu konzentrieren, wie Miss Wurtz es
ihm geraten hatte, sondern vielmehr um die Vorbereitung auf all die
Großaufnahmen, die ihn erwarteten. Er hoffte, daß es viele sein würden.
Modell zu stehen, war auch eine Übung in Willenskraft, denn sie half
Jack, keine Erektion zu bekommen. Noch schwieriger war, eine beginnende
Erektion zu stoppen
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