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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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und zu halten, doch auch darin wurde er ziemlich gut.
    [431]  »Erlöse uns, o Herr, von den Banden unserer Sünden«, hatte Lottie
immer gebetet. Jack hatte nichts mehr von ihr gehört, nicht einmal eine
Postkarte hatte er von ihr bekommen. Er erfuhr nie, was auf Prince Edward
Island mit ihr geschehen war – vielleicht gar nichts.
    Emma hatte Jack das Fahren beigebracht – natürlich illegal, wie es
ihrem Wesen entsprach, aber immerhin bekam er seinen Führerschein zum frühestmöglichen
Zeitpunkt. Er besaß keinen Wagen, und infolgedessen entwickelte er eine
geradezu besitzergreifende Liebe für Claudias Volvo. Er mochte Claudia, aber er
liebte ihren Wagen.
    Claudia war eine aufstrebende Schauspielerin – sie und Jack waren in
mehreren Studentenaufführungen aufgetreten –, und ihre Bereitschaft, seinen
Penis zu halten, war meist unerschütterlich. Allerdings schlief er auch mit
ihr, wodurch das Penishalten weniger seltsam (aber wohl auch weniger erregend)
war als mit Emma. Claudia fuhr ihn auch, wohin er wollte, und als er den
Führerschein hatte, lieh sie ihm großzügig ihren Wagen.
    Jack fuhr ein paarmal pro Woche nach Exeter, um mit der
Ringermannschaft zu trainieren oder in der Sporthalle auf der Holzbahn mit den
hochgezogenen Kurven zu laufen. Er hatte keine Lust, in der Collegemannschaft
zu ringen; die Wettkämpfe waren ihm nie sonderlich wichtig gewesen. Er wollte
nur einigermaßen gut in Form bleiben und imstande sein, sich zu verteidigen,
und er schuldete diesem Sport etwas, das er nur zu gern zurückzahlte. Er
stellte sich der Ringermannschaft von Exeter als zusätzlicher Trainer zur
Verfügung, wobei er sich hauptsächlich darauf beschränkte, den Anfängern
bestimmte Techniken zu zeigen – genau so, wie Tschenko, Pawel und Boris und später
Clum und Hudson ihm diese Techniken beigebracht hatten.
    Im Gegensatz zu Clum sah Hudson nicht voller Verachtung auf ihn
herab, wenn er ein Blumenkohlohr behandeln ließ. Im Gegensatz zu Clum war
Hudson ein gutaussehender Mann, der [432]  verstehen konnte, daß Jack nicht für den
Rest seines Lebens wie ein Ringer aussehen wollte, besonders da er doch
Schauspieler werden wollte.
    »Angesichts der Tatsache, daß ich mal Schauspieler werden will, ist
es doch wohl nur praktisch, meine Blumenkohlohren behandeln zu lassen, oder?«
fragte Jack ihn.
    »Sehr praktisch«, erwiderte Hudson.
    Damals gab es noch einen Ringkampftrainer in Exeter. Mr. Shapiro
unterrichtete Russisch; später sollte er Dekan der Studenten werden.
    Als Jack Claudia einmal zum Training mitnahm, saß sie mißmutig auf
der Matte, den Rücken an die gepolsterte Wand gelehnt, und beobachtete die
Ringer mit finsterem, weiblichem Argwohn, als könnte sie jederzeit eine Waffe
ziehen und einen von ihnen über den Haufen schießen. Etwas unbestimmt
Gefährliches umgab sie, ein Geheimnis vielleicht, das sie mit niemandem teilte,
oder Zukunftspläne, von denen sie nie sprach. Oder spielte sie, wie Jack, ihrer
Umgebung die ganze Zeit etwas vor?
    Mr. Shapiro bemerkte, Jacks Freundin sei »außergewöhnlich schön« und
sehe »slawisch« aus. Jack wußte, daß Claudia attraktiv war, obgleich für ihn
die Schönheit einer jeden Frau gemindert wurde durch den Vergleich mit der
unvergleichlichen Michele Maher. Doch er hatte bisher nicht gefunden, daß
Claudia besonders »slawisch« aussah. Andererseits war Mr. Shapiro
Russischlehrer und wußte offenbar, wovon er sprach. Mit Ringkampftechniken war
er ebenfalls vertraut. Mr. Shapiro und Jack kannten ein paar von Tschenkos
alten Tricks.
    Das waren die Männer, mit denen Jack während seiner Studienzeit in Durham
zu tun hatte: die Ringkampftrainer an seiner alten Schule und die Anfänger in
der Mannschaft, die sie trainierten.
    [433]  Erst im zweiten Jahr an der UNH war Jack gezwungen, sich zu entscheiden zwischen der slawisch aussehenden
Schönheit Claudia und Midori, seiner Eroberung aus dem Aktzeichenkurs, seiner
persönlichen Perle des Orients, mit der er Kurosawas Yojimbo gesehen hatte. (Ein aufregender Film, wenn einem eine Japanerin den Penis
hält.) Jack lebte anscheinend schon so lange in den USA ,
daß er dem amerikanischen Materialismus nachgab und sich für Claudia entschied,
weil sie nicht nur einen eigenen Wagen, sondern auch eine eigene Wohnung besaß,
und zwar nicht auf dem Campus, sondern in Newmarket, das mehr oder weniger
zwischen Durham und Exeter lag. Und da Claudia Schauspielerin war,
interessierten sie und Jack sich für dieselben

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