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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Eleanor, die
Organistin, wirkte beinahe gefaßt.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie Orgel spielen können, [703]  Caroline«,
sagte Eleanor – vernehmlicher, als sie vorgehabt hatte, da Jack und die Biker
unvermittelt zu reden aufgehört hatten.
    Errötend warf Miss Wurtz einen kurzen Blick in Richtung Jack. »Nun
ja, ich hatte ein paar denkwürdige Unterrichtsstunden«, sagte sie.
     
    God save our gracious Queen,
Long live our noble Queen,
God save the Queen!
Send her victorious,
Happy and glorious,
Long to reign over us;
God save the Queen!
    Unter Leitung der Wurtz sangen und sangen sie. Die reinen
Mädchenstimmen des Chors der Internatsschülerinnen kamen nicht an gegen den
Bierkneipen-Gusto der Biker, die sich langsam von der feuchten Märzkälte auf
den Straßen erholten und ihre Ledermonturen ablegten. Ihre Tätowierungen wetteiferten
mit den Farben von Jesus und den ihn umringenden Heiligen auf den
Buntglasfenstern der Kapelle.
    Jack stahl sich davon. Er wußte, Miss Wurtz konnte alles adaptieren;
bis zum Beginn der Feier würde sie sowohl dem Chor der Internatsschülerinnen
als auch dem der Biker den letzten Schliff verpaßt haben. Als Jack hinausging,
lauschten die Tätowierer gerade ehrfürchtig den Mädchen, die »Lord of the
Dance« sangen.
     
    I danced in the morning
When the world was begun,
And I danced in the moon
And the stars and the sun,
And I came down from heaven
[704]  And I danced on the earth,
At Bethlehem
I had my birth.
    Draußen waren zwei weitere Motorradfahrer eingetroffen; sie
parkten ihre Maschinen neben den anderen. Slick Eddie Esposito vom Blue Bulldog
in New Haven, Connecticut, und Bad Bill Letters vom Black Bear Season Tattoo in
Brunswick, Maine. Ihre speckigen Ledermonturen waren fleckig vom Regen, und sie
selbst waren offenbar steif vor Kälte, aber sie erkannten Jack Burns und
lächelten herzlich. Jack schüttelte ihnen die eiskalten Hände.
    Er hatte sich bei Mrs. Oastler ein paar alte Klamotten angezogen –
Jeans, Sportschuhe und einen wasserdichten Parka, der Emma gehört hatte und ihm
viel zu groß war. »Ich gehe eben nach Hause, um mich für die Trauerfeier
umzuziehen«, sagte Jack zu den beiden Neuankömmlingen. Die aus der Kapelle
dringenden Mädchenstimmen schienen sie zu verwirren. »Die anderen sind drinnen
und üben.«
    »Was denn?« fragte Bad Bill. Es mußte der dritte oder vierte Refrain
von »Lord of the Dance« sein; Miss Wurtz hatte offenbar beschlossen, die Biker
einzubeziehen. Die kräftigen Stimmen der Männer drangen zu ihnen in den Regen
heraus.
     
    Dance, then, wherever you may be,
I am the Lord of the Dance, said He,
And I’ll lead you all, wherever you may be,
And I’ll lead you all in the Dance, said He.
    »Auf geht’s, Bill – laß uns reingehen und mitsingen«, sagte
Slick Eddie.
    »Kommst du als Mädchen zurück?« wurde Jack von Bad Bill gefragt.
    »Heute nicht«, sagte Jack zu ihm.
    [705]  Als sie das Gebäude betraten, hörte Jack, wie Slick Eddie sagte:
»Du bist ein Arschloch, Bill.«
    »Klar bin ich ein Arschloch!« erwiderte Bad Bill.
    Jack kehrte zum Haus von Mrs. Oastler zurück und legte sich dort in
die Badewanne. Leslie kam in ihrer schwarzen Unterwäsche ins Bad, klappte den
Toilettendeckel herunter und setzte sich darauf, ohne Jack anzusehen. »Wie
viele sind es?« fragte sie.
    »Ungefähr dreißig Motorräder, vielleicht vierzig Leute«, sagte er zu
ihr.
    »Die meisten Tätowierer, die deine Mutter gekannt hat, waren keine
Biker, Jack. Die Biker sind bloß die Spitze des Eisbergs.«
    »Ich weiß«, sagte Jack. »Wir rufen mal
lieber Peewee an.«
    »Wir rufen mal lieber die Polizei an«, erwiderte Mrs. Oastler. »Sie
können nicht alle in St. Hilda schlafen – nicht mal in der Sporthalle.«
    »Ein paar könnten hier schlafen«, schlug er vor.
    »Deine Mutter hat das mit Absicht gemacht, Jack. Vielleicht hätte
sie uns diese letzte Peinlichkeit erspart, wenn wir miteinander geschlafen
hätten.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Jack. »Ich habe das Gefühl, Mom hätte sie
gar nicht fernhalten können.«
    Später am Nachmittag rief Peewee an. »Eigentlich bräuchte ich einen
Lieferwagen statt einer Limousine, Mann – mehr Getränke passen nicht rein,
Jack.«
    »Am besten fährst du zweimal«, sagte Jack zu ihm.
    »Das ist schon die dritte Fuhre, Mann! Wenn ihr beide, du und Mrs.
Oastler, nicht macht, daß ihr in die Kapelle kommt, kriegt ihr keinen Sitzplatz
mehr!« Peewee war der geborene Panikmacher. Jack wußte, daß Miss Wurtz

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