Bis ich dich finde
das
Kommando innehatte, und vertraute darauf, daß sie ihm und Leslie Sitzplätze reservierte.
Die Wurtz tat sogar noch mehr. Sie postierte Stinky Monkey wie einen
Platzanweiser im Mittelgang, damit er die Bank bewachte. Bad to the Bones war
ebenfalls da – genau wie Sister Bear [706] and Dragon Moon. Sie waren alle da – alle, mit denen Jack gerechnet hatte, und noch
mehr.
Eine Gruppe kam aus Italien. Luca Brusa (aus der Schweiz) hätte es
sich nicht entgehen lassen wollen, wie er Jack verriet. Himmel & Hölle
kamen aus Deutschland, Manu und Tin-Tin aus Frankreich. Die Las Vegas Pricks
waren da und Hollywoods Purple Panther.
Sie drängten sich in und zwischen den Bänken – ja sogar auf dem
Flur, bis halb zur Sporthalle. Ein kleines, verschreckt wirkendes Häuflein von
Ehemaligen – Mrs. Oastlers zitternde frühere Klassenkameradinnen – saß
zusammengeschart in zwei vorderen Seitenbänken, wo Ed Hardy, Bill Funk und
Rusty Savage sich offenbar zu ihren Leibwächtern ernannt hatten. Jedenfalls
ließen sie keinen ihrer Kollegen auch nur in die Nähe dieser älteren Frauen,
die (wie die Schulmädchen, die sie vor langer Zeit gewesen waren) Händchen
hielten.
Miss Wurtz hatte ihre beiden Chöre – die Internatsschülerinnen und
die Biker – zu beiden Seiten des Mittelgangs Aufstellung nehmen lassen, wo
diese disparaten Gruppen der größtenteils verblüfften Gemeinde gegenüberstanden.
Die Tätowierer, die nicht zeitig gekommen waren, konnten mit »God save the
Queen« nichts anfangen.
»Was für eine Königin denn?« wurde Jack von einem breitschultrigen
Mann in hellgelbem Sportjackett gefragt. Er hatte soviel Gel in seinem senkrecht
hochstehenden Haar, daß seine Frisur der Rückenflosse eines Hais ähnelte.
Sowohl das hellgelbe Jackett als auch die Frisur waren Jack aus den
Tätowiererzeitschriften vertraut. Kein Zweifel: Das war Crazy
Philadelphia-Eddie.
Reverend Parker verspätete sich. »Es gab keinen Parkplatz mehr!«
beschwerte er sich mit quengeliger Stimme, ehe er sich die Gemeinde genauer
ansah – die gebatikten Trägertops, die tätowierten Arme, die offenen Kragen der
Hawaiihemden, die teils [707] entblößten, ebenfalls tätowierten Oberkörper.
Profane Schlangen und mythologische Lindwürmer fixierten den Reverend kalt; bei
den reptilischen Tätowierungen fanden sich Geschöpfe, wie sie weder der Garten
Eden noch Reverend Parker je gesehen hatten. Es gab zahlreiche Darstellungen
von Christi blutendem, dornenumwundenem Herzen, denen es an der gewohnten
anglikanischen Dezenz fehlte. Es gab zahlreiche Skelette – manche spien Feuer,
andere gaben Obszönitäten von sich.
Inmitten der Farbenpracht all dieses tätowierten Fleisches hatte
sich die Wurtz mit »Lord of the Dance« selbst übertroffen. Die
Internatsschülerinnen, die Leslie als »Chor von Nicht-ganz-Jungfrauen«
bezeichnete, sangen alle fünf Strophen, die Biker stimmten fünfmal beim Refrain
ein. Die unglückliche blonde Schülerin, die bei der Trauerfeier für Emma ihren
Schuh verloren hatte, sang die vierte Strophe solo, und sie war eine großartige
Solistin. Obwohl man das Lied mehrmals gemeinsam geprobt hatte, rührte sie die
Biker zu Tränen.
I danced on a Friday
When the sky turned black –
It’s hard to dance
With the devil on our back.
They buried my body
And they thought I’d gone,
But I am the Dance,
And I still go on.
Als der Kaplan an der Reihe war, den Dreiundzwanzigsten Psalm zu
lesen, war es in der Kapelle warm, und einige der üppig tätowierten Typen
hatten sich das Hemd ausgezogen. Sie waren nicht allesamt Tätowierer – es waren
auch viele von Alice’ Kunden anwesend. Überall waren die charakteristischen
Arbeiten von Jacks Mutter zu sehen. Jack entdeckte so manche Daughter Alice.
[708] Er bemerkte außerdem, daß Mrs. Oastler weinte. Sie sackte in der
Bankreihe an seine Schulter, ihr schmächtiger Körper zitterte. Daran erkannten
Alice’ Kollegen, wer sie war. »Ich habe in Toronto eine Liebste«, hatte Alice
mehr als einem von ihnen gesagt. (Zum Beispiel als Bestandteil des Satzes:
»Nein danke – heute nacht nicht; ich habe in Toronto eine Liebste.«)
»Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln«, begann Reverend
Parker bang. Beim vierten Vers war er bereits schwer durcheinander: »Und ob ich
schon wandere im finsteren Tal, fühle ich kein Unglück –«
» ›…fürchte‹, nicht fühle ich ›kein Unglück‹«, korrigierte ihn Miss Wurtz.
» …fürchte ich kein Unglück«,
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