Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
mit den Bandmitgliedern. Die
jungen Finnen im Pub hatten Hemmungen, Jack anzusprechen, starrten ihn jedoch
ausgiebig an. Als die Folkband [775]  weiterspielte, begannen zwei junge Finninnen
ein Gespräch mit Jack. Allzu verwegen kamen sie ihm nicht vor; eigentlich waren
sie ausgesprochen zaghaft. Er konnte nicht sagen, was sie erwarteten oder
worauf sie aus waren. Erst begann die eine, mit ihm zu flirten, dann hörte sie
damit auf, und die andere fing an.
    »Zu dieser Musik kann man nicht tanzen«, meinte die erste.
    »Sie sehen so aus, als bräuchten Sie keine Musik, um zu tanzen«,
sagte die zweite.
    »Stimmt«, antwortete er.
    »Ich wette, Sie denken jetzt, ich wollte mich an Sie ranmachen«,
sagte sie.
    Jack hatte nicht vor, seine Erinnerung an Ingrid Moe dadurch zu
beschädigen, daß er mit einer der Finninnen – oder mit beiden – schlief.
Inzwischen war er hungrig genug, um eine Kleinigkeit zu essen. Doch als er sich
von den beiden Finninnen verabschiedete, meinte eine von ihnen: »Wir sind wohl
nicht das, was Sie suchen.«
    »Eigentlich«, sagte Jack zu ihnen, »suche ich ein lesbisches Paar.«
Einen guten Abgang so zu verschenken, und das ausgerechnet im O’Malley’s in
Helsinki!
    Er ging in die Eingangshalle des Torni und fragte den Portier, ob es
das Restaurant Salve noch gebe. »Es war einmal bei Seeleuten sehr beliebt«,
sagte Jack.
    »Inzwischen nicht mehr«, sagte ihm der Portier. »Und ich bin mir
nicht sicher, ob es für Jack Burns ratsam ist, dort hinzugehen. Es ist eher was
für Einheimische. « (Angesichts der vielen Kinogänger
im O’Malley’s war Jack froh, daß er sich im Torni als Jimmy Stronach eingetragen
hatte.)
    Er ging auf sein Zimmer und zog sich seine
»Tätowierungsstudio-Kluft« an, wie Leslie Oastler das nannte – Jeans und einen
schwarzen Rollkragenpullover. Mrs. Oastler hatte auch Emmas Bomberjacke
eingepackt; die Ärmel waren ihm viel zu lang, aber er liebte das
Kleidungsstück.
    [776]  Nach seinem Gefühl lag immer noch Schnee in der Luft, als er das
Salve betrat, ein altmodisches Restaurant von der Art, wo man ganz gewöhnliche
Hausmannskost bekam. Anscheinend war Helsinki, wie er früher schon gedacht
hatte, tatsächlich ein rauhes Pflaster für einen von Selbstzweifeln Geplagten:
Jedenfalls verstand Jack, warum der Portier ihm, dem Filmstar, vom Besuch des
Salve abgeraten hatte. Einige der Einheimischen waren
bestimmt Kinogänger. Vielleicht hatten ihnen bloß Jack Burns’ Filme nicht
gefallen.
    Die Kellnerinnen waren so, wie er sie in Erinnerung hatte –
überarbeitet und nicht mehr die Jüngsten. Er mußte an die derbe Kellnerin, die
Frau von Sami Salo, dem Picker, denken: Sie hätte auch heute, nach achtundzwanzig
Jahren, noch hierher gepaßt. Immerhin war sie so derb gewesen, Alice
»Schätzchen« zu nennen, entsann sich Jack. Allerdings fragte er sich, ob die
Abneigung zwischen den beiden tatsächlich daher gekommen war, daß seine Mutter
Sami das Geschäft kaputtgemacht hatte.
    Jack hatte Mrs. Sami Salo, wenn sie das denn war, als kleine,
stämmige Frau mit zu engen Kleidern in Erinnerung. Sie hatte bei jedem Schritt
die Augen zusammengekniffen, als schmerzten ihre Füße; ihre dicken Arme hatten
gewabbelt.
    Während er sich bemühte, niemanden allzu eingehend anzusehen und
schon gar nicht jemandem in die Augen zu schauen, kam die Kellnerin an seinen
Tisch, der abgewischt werden mußte. Sie benutzte dazu ein feuchtes
Geschirrtuch. Jack bemühte sich, auch sie nicht allzu eingehend zu betrachten.
Sie war so dünn, wie Mrs. Sami Salo dick gewesen war, vielleicht waren aber
auch nur Mrs. Salos Arme dick gewesen. Er erinnerte
sich nicht mehr. Die dünne Kellnerin hatte krumme Schultern und einen
grobporigen Teint, doch es lag eine Art müde Schönheit in ihrem länglichen
Gesicht und ihren katzenhaften Augen. Als sie Jack an seinem Tisch
gegenüberstand, knickte sie in der Hüfte ein, als wären auch ihre Beine müde.
    [777]  »Ich hoffe, Sie sind mit jemandem verabredet«, sagte sie. »Sie
sind doch nicht etwa allein hierher gekommen?«
    »Darf man denn nicht allein hierher kommen?« fragte er.
    » Sie dürfen es jedenfalls nicht«, sagte
sie zu ihm. »Vielleicht wäre es sicherer für Sie, als Frau hierher zu kommen.«
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir sagen, wo man sich tätowieren
lassen kann«, sagte Jack. »Das hier war mal der Ort, wo man sich nach so was
erkundigen mußte.«
    »Ich bin diejenige, bei der Sie sich erkundigen müssen«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher