Bis in alle Ewigkeit
sie hat ein Kind bekommen? Vom wem?«
Agapkin hatte nicht bemerkt, das während seines Telefonats das Schnarchen verstummt war. Kurz darauf erschien Syssojew im Flur, verquollen, aber nüchtern und wütend. Er starrte Agapkin mit seinen Hammelaugen an. In der Hand hielt er eine zierliche Damenpistole. Ohne sich von Anna zu verabschieden und ohne eine positive Antwort von ihr erhalten zu haben, legte Agapkin den Hörer auf. Er war nicht sicher, ob Syssojew den letzten Teil des Telefonats gehört hatte, sagte aber leichthin, wobei er ihm ungeniert in die Hammelaugen blickte: »Ich habe im Lazarett angerufen und Bescheid gesagt, dass ich heute nicht komme. Hör mal, Bruder, du könntest einen Ausnüchterungsschluck vertragen oder wenigstens etwas Gurkenlake. He, wieso zielst du mit der Pistole auf mich? Du schießt ja sowieso nicht. Was würde der Meister sagen, wenn in seiner Wohnung eine Leiche liegt? Und womöglich nicht nur eine, sondern gleich zwei. Sinas Zustand ist kritisch. Sie hat Blutungen und Fieber. Ohne meine Hilfe seid ihr geliefert.«
Syssojew schnaubte, blies die Nüstern auf, ließ aber die Pistolesinken. Agapkin schob ihn beiseite, ging zurück zu Sina und schloss die Tür fest.
»Anna kommt ganz bestimmt«, sagte Sina, nachdem er ihr von dem Telefonat berichtet hatte, »aber wissen Sie, das Fenster ist zugenagelt.«
Agapkin untersuchte die Rahmen des Doppelfensters und stieß einen leisen Pfiff aus. Sie waren mit dicken Kupfernägeln fest in der Laibung verankert. Wenn er versuchte, die Nägel mit Hilfe des Skalpells herauszuziehen, würde er dafür einige Stunden brauchen und es vermutlich doch nicht schaffen. Da aber jeden Augenblick Syssojew oder Chudolej hereinkommen konnten, war dieses Unterfangen sinnlos.
Dennoch war ein Skalpell ein nützliches Ding.
Agapkin ging zu Syssojew. Er fand ihn in der Küche. Der ehemalige Diakon stand mit dem Rücken zur Tür und aß mit den Fingern Sauerkraut aus einem kleinen Fass. Seine Hose war ihm zu eng, die Tasche stand deutlich ab. Darin steckte also die Pistole.
Im nächsten Augenblick funkelte die Schneide des Skalpells direkt vor der Nase des erstaunten Dichters und drückte sacht gegen seine Schlagader. Syssojew verschluckte sich und musste husten.
»Keine Bewegung«, warnte ihn Agapkin für alle Fälle, »ich für mein Teil habe nämlich keine Angst vor Leichen.«
Der Dichter hustete krampfhaft. Agapkin zog ihm mit der Linken die Pistole aus der Tasche, steckte sie ein und schlug dem einstigen Diakon kräftig auf den Rücken. Der Husten hörte auf.
»Wo ist der Schlüssel?«
»Weiß ich nicht.«
»Denk nach!«
»Ich schwöre, ich weiß es nicht. Such doch, wenn du willst.«
Dazu war keine Zeit. Agapkin untersuchte das Schloss an der Tür, dann schaute er Syssojew an. Dem quollen die Hammelaugen so weit hervor, dass es aussah, als würden sie gleich herausfallen.
»Geh ins Wohnzimmer und rühr dich nicht vom Fleck. Wenn du mir in die Quere kommst, ist dir der Tod sicher oder die Zwangsarbeit. Ich weiß, dass du dem Reporter Vivarium in Polikarpows Wirtshaus die Kehle durchgeschnitten hast.«
Agapkin bluffte. Tatsächlich hatte ein gedungener Mörder für fünfundzwanzig Rubel den Reporter ermordet. Niemand von den Brüdern hatte sich die Hände schmutzig gemacht. Doch der schlaue Chudolej hatte die Sache so arrangiert, dass alle mit drinhingen. Er hatte im engen Kreis eine Art Gerichtsprozess inszeniert, bei dem der aufdringliche Reporter verurteilt wurde, weil er hartnäckig versucht hatte, ein der Loge gehörendes Geheimnis der Öffentlichkeit preiszugeben. Anfangs hatte das Ganze ausgesehen wie eines der üblichen Spektakel, pathetisch, aber amüsant. Das Urteil wurde auf Papier mit dem Wappen der Loge verfasst und von allen Anwesenden unterschrieben.
Es wäre übrigens nützlich, dieses Papier zu finden, dachte Agapkin, aber Chudolej hat es bestimmt sicher versteckt.
Er brachte den wie erstarrten Syssojew ins Wohnzimmer, schloss die Tür und ging wieder in die Küche.
Die Eisenhalterungen, an denen das Schloss hing, waren an der Hintertür und der Türfüllung festgeschraubt. Agapkin benutzte das Skalpell als Schraubendreher und löste die Schrauben. Nun genügte ein kräftiger Ruck, und die ganze Konstruktion fiel ab.
Agapkin ging zurück zu Sina. Nun mussten sie nur noch warten, wer zuerst kam, Anna oder Chudolej.
Nach einer halben Stunde hielt eine geschlossene Kutscheunterm Fenster. Ihr entstieg eine streng und teuer
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