Bis in alle Ewigkeit
sagte der Professor.
»Ein kluger Mensch würde nicht mit einem Gewehr auf einen lebendigen Menschen schießen«, knurrte die Kinderfrau ärgerlich und klapperte mit ihren Stricknadeln.
»Aber wenn Krieg ist, was dann – ohne Militärs?«, fragte Sweschnikow.
»Den haben sie sich doch selber ausgedacht, den Krieg, damit sie nicht untätig rumsitzen müssen. Sie können ja nichts anderes.«
»Sie sind ja eine Pazifistin, Awdotja Borissowna«, bemerkte Agapkin lächelnd.
Die Kinderfrau warf einen mürrischen Blick auf ihn, erwiderte nichts und fuhr fort, nur an Sweschnikow gewandt: »Also dieser Bursche von Danilow, der hat mich vor drei Tagen in die Küche eingeladen, zum Teetrinken. Aber der Tee war alt, da war schon Schimmel drauf. Ich frage: Sag bloß, du kochst diesen Tee auch für den Herrn und die Herrin? Er kneift die frechen Augen zusammen und antwortet: Der Tee ist gut, ist chinesischer. Ich sage: Ach, du Gauner! Diesen Tee musst du wegwerfen und neuen kaufen. Aber er schüttelt nur den Kopf – nein. Neuen kaufen hat keinen Sinn. Sollen sie noch den trinken. Seine Wohlgeboren muss sowieso bald weg, nach Mogiljow, ins Hauptquartier.«
Sweschnikow erstarrte mit dem Löffel vorm Mund.
»Moment, was sagst du da? Wiederhol das bitte noch einmal.«
»Ja, ja, nie hörst du mir zu. Ich hab gesagt, Pawel Nikolajewitsch muss fort. Er hat eine geheime Depesche bekommen, vom Oberkommandierenden, von General Kornilow.«
Moskau 2006
Kira Melnik schmerzte es, zu sehen, wie sehr ihr Mann unter dem Tod seines alten Freundes Dmitri Lukjanow litt. Auch sie selbst konnte sich nicht daran gewöhnen, dass er nicht mehr lebte. Was für ein überraschender, unsinniger Tod!
Ihre Familien waren seit vielen Jahren befreundet. Boris hatte nur wenige Freunde. Er war immer ganz von seiner Arbeit in Anspruch genommen, von seinen Forschungen, für Freunde blieb da einfach keine Zeit, viele alte Kontakte waren abgerissen. Zumal Boris im Alter immer reizbarer wurde, manchmal sogar grob, und das nicht nur gegen sie, seine Frau, sondern auch gegen Fremde. Sie war es gewöhnt, ihm alles zu verzeihen, andere aber verziehen ihm nicht, waren gekränkt, riefen nicht mehr an, kamen nicht mehr zu Besuch.
Im Grunde war ihnen außer den Lukjanows niemand mehr geblieben. Bald war Silvester – mit wem sollten sie diesmal feiern? Und ihre Geburtstage. Hätten sie und Boris Kinder, sähe es anders aus. Aber das hatte nicht geklappt. Erst hatten sie es immer aufgeschoben, dann war es zu spät gewesen.
Nach Lukjanows Tod hatte sich Boris völlig abgekapselt, war immer düsterer und reizbarer geworden, obgleich das kaum möglich schien, denn auch so waren in den letzten Monaten die Fetzen geflogen.
Kira versuchte dauernd, mit ihrem Mann zu reden, ob er nicht Urlaub nehmen wolle, wenigstens eine Woche. Sie könnten ein Zimmer in einem preiswerten Ferienheim bei Moskau nehmen, spazieren gehen, im winterlichen Wald Ski laufen, die Stille genießen. Aber Boris hörte ihr nicht zu, gab unpassende Antworten und winkte ab – später, wir sprechen später darüber.
Er wurde von Schlaflosigkeit gepeinigt. Nächtelang tigerte er durch die Wohnung. Kira bemühte sich, so zu tun, als merktesie nicht, wenn Boris unter der Decke hervorschlüpfte, in sein Arbeitszimmer ging, den Computer einschaltete oder einfach im Dunkeln am Schreibtisch saß, den Kopf auf die Arme gelegt.
Natürlich ahnte Kira, dass Lukjanow nicht der einzige Grund dafür war. Zu diesem Kummer kam noch etwas anderes.
Der Geldmann, der Besitzer des schicken Wagens, der aussah wie ein Malachit-Ei, war ebenso verschwunden wie alle seine Vorgänger.
Man sollte denken, dass sich Melnik inzwischen daran gewöhnt hätte, aber das konnte er nicht. Seine Empfindlichkeit gegen Kränkungen und Enttäuschungen ließ im Alter nicht nach wie bei vielen anderen, sondern wuchs extrem. Jeden Misserfolg nahm er sich so zu Herzen, als bedeutete er das Ende von allem.
Neben der hartnäckigen Suche nach einem Verjüngungsmittel arbeitete Melnik an der Entwicklung und Vervollkommnung von Biopräparaten zur Linderung altersspezifischer Leiden. Dabei hatte er originelle Ideen. Er nutzte nicht nur die von alters her bekannten Heilkräuter, sondern auch ganz überraschende, exotische Stoffe wie die Hämolymphe des Kartoffelkäfers, die Verdauungssäfte der Larve des afrikanischen Pfeilgiftkäfers und die Speicheldrüsen der Seegurke.
Seine letzte Entdeckung hieß Rofexid-6, ein Mittel gegen Arthritis. Er
Weitere Kostenlose Bücher