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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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sie auf keinen Fall alleinlassen.
    Dass sie notgedrungen zu Fuß nach Hause gingen, war schon ein unverantwortliches Risiko und ein Verstoß gegen den Befehl gewesen. Aber wer konnte ahnen, dass der Professor sich in den Kampf stürzen würde? Nicht einmal Agapkin, der ihn recht gut kannte, wäre auf diese Idee gekommen.
    Agapkin hatte im Moment keinerlei Kontakt zur Loge. Er konnte nicht um Rat fragen. Hätte er versucht, den Professor zu Hause festzuhalten, hätte er dessen Vertrauen für immer eingebüßt, das war ihm klar. Nun liefen sie über die Twerskaja-Jamskaja. Nur noch ein paar Schritte. Das Trottoir schien ihmaus irgendeinem Grund sicherer als die Fahrbahn. Gleich konnten sie in die Brestskaja einbiegen, dort war ein Durchgangshof.
    Bei einem erneuten Geschützdonner hatte Agapkin die Schritte hinter ihnen nicht gleich gehört, und als er sich umdrehte, riss ein Mann in einer Lederjacke bereits das Gewehr von der Schulter. Er war ganz nah, so nah, dass Agapkin das blasse junge Gesicht sah, die schrecklich geweiteten Pupillen, die an der Stirn klebenden nassen Haarsträhnen, die unter der Ledermütze hervorquollen, und die hohen, spiegelblank geputzten Stiefel. Gute Offiziersstiefel. Die hatte er vermutlich jemandem abgenommen, sie waren ihm zu groß und schlappten laut.
    Das Krachen der Schüsse ging im Geheul und Geratter der Panzerwagen unter, die die Twerskaja entlangrasten. Agapkin drückte einen Augenblick eher auf den Abzug seiner Pistole. Der Lederne wankte, konnte im Fallen aber noch einen Schuss abgeben. Sweschnikow stieß einen heiseren Schrei aus. Agapkin fing ihn auf.
    »Was ist? Wo tut es weh? Reden Sie, sagen Sie etwas!«
    Der Professor atmete schwer und keuchend. Ein LKW fuhr ganz dicht vorbei. Die Soldaten riefen etwas und zeigten mit den Fingern auf sie. Agapkin zog den Professor aufs Trottoir und entdeckte auf dem Raureif, der das trockene Laub überzog, einige große Blutstropfen.
    »Das Bein«, sagte der Professor, »der rechte Unterschenkel.«
    Das Hosenbein sog sich rasch mit Blut voll. Agapkin warf seinen Mantel ab und zog sich sein dickes Leinenhemd über den Kopf. Bis zum Gürtel nackt, versuchte er, das Hemd in Streifen zu reißen. Er hatte nichts Scharfes bei der Hand, und der Stoff wollte nicht nachgeben. Sweschnikow saß auf dem Trottoir, mit dem Rücken an eine Hauswand gelehnt. Unter seinem rechten Bein bildete sich ein Blutfleck.
    »Fjodor, ich habe Ihnen immer gesagt, Sie sollten Unterwäsche tragen. In meiner Hosentasche ist ein Taschentuch. Holen Sie es heraus. Ich schaffe es nicht. Und ziehen Sie sich augenblicklich wieder an, Sie werden sich erkälten!«
    Das Taschentuch war ziemlich groß und stabil und taugte zum Abbinden. Aber das Blut lief weiter.
    »Halb so schlimm. Mein Blut gerinnt schnell. Wenn die Arterie nicht verletzt ist, hört die Blutung bald auf. Ruhen wir uns ein bisschen aus, und dann gehen wir nach Hause.«
    Die Stimme des Professors klang ruhig und dumpf. Er atmete schwer und keuchend, seine Lippen waren blau. Trotz der Schmerzen stöhnte und klagte er nicht.
    »Michail Wladimirowitsch, Sie können nicht gehen. Und auch nicht ausruhen. Die Blutung ist zu stark. Ich trage Sie.«
    »Sind Sie verrückt? Sie haben keine Trage, keinen zweiten Mann als Hilfe. Sie sind kleiner als ich, und ich bin schwer.«
    Agapkin versuchte, den Professor auf den Arm zu nehmen wie ein Kind, hob ihn hoch, konnte aber keinen Schritt laufen.
    »Spielen Sie nicht den Helden, Fjodor. Sie werden sich einen Bruch heben. Da, nehmen Sie sein Gewehr. Wenn Sie das Bajonett abnehmen, ist es eine brauchbare Krücke.«
    Der Lederne atmete noch. Die Kugel hatte ihn in den Bauch getroffen. Er hielt das Gewehr mit blassen Fingern fest umklammert.
    »Wasser, Wasser«, sagte er.
    Er war höchstens zwanzig. Er konnte durchaus noch ein paar Stunden leben, mit schrecklichen Qualen, und ihm würde kaum jemand zu Hilfe kommen.
    Agapkin hatte bedenkenlos geschossen, um das Leben des Professors und sein eigenes zu retten. Aber einen Sterbenden erschießen – das konnte er nicht.
    Verstohlen und vorsichtig bog er die eiskalten schwachenFinger auseinander und nahm das Gewehr, wobei er sich bemühte, nicht in das schmale junge Gesicht zu blicken, in die Augen mit den vom Kokain geweiteten Pupillen, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass dies für ihn das erste Mal war.
    Er hatte geheilt, gerettet, geliebt, verachtet, beneidet, gehasst. Hin und wieder hatte er auch jemanden töten wollen und hätte

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