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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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desinfiziert. Andrej stand neben ihr, bläulichblass, aber ruhig. Marina kochte in der Küche die Instrumente aus. Den Tisch hatten sie ans Fenster gerückt und mit einem frischen Laken bedeckt. Die Kinderfrau versuchte leise schluchzend, dem Professor mit einem Löffel rote Konfitüre einzuflößen.
    »Wir müssen die Blutung stoppen und die Kugel entfernen«, sagte Tanja mit ruhiger Stimme, als hätte sie nicht ihren Vater vor sich, sondern einen beliebigen Verwundeten im Lazarett. »Der Knochen ist nicht verletzt, aber die Beinschlagader, deshalb die starke Blutung.«
    »Ich kann ihm keine Narkose geben«, sagte Agapkin.
    »Natürlich können Sie das nicht. Das ist auch nicht nötig«, sagte der Professor, »ein Glas Sprit genügt. Awdotja, geh weg mit deiner Moosbeere, die kann ich jetzt nicht essen.«
    »Michail, mein Lieber, nur einen Löffel, um Christi willen.«
    »Verdünne sie mit heißem Wasser, dann trinke ich sie. Was seid ihr alle wie erstarrt? Wo ist Marina? Muss ich selber auf den Tisch klettern oder helft ihr mir vielleicht?«
    Die Blutung hörte erst auf, nachdem sie die Arterie und einige große Venen abgeklemmt hatten. Die Torsionspinzetten hingen wie eine Traube aus der offenen Wunde. Der Spalt war ziemlich tief, trotzdem konnte Tanja die Kugel nicht finden. Ihr Bauch war im Weg. Und es war zu dunkel. Von der Kälte wurden die Hände steif.
    »Vorsichtig, Fjodor. Hier ist der Peronäusnerv, passen Sie auf, dass Sie ihn nicht verletzen. Papa, wie geht es dir? Andrej, nimm Papas Handgelenk und zähl den Puls, wie ich es dir beigebracht habe. Laut! Marina, hören Sie auf zu heulen, gehen Sie raus und nehmen Sie Awdotja mit. Machen Sie Tee, er muss viel trinken. Jetzt können wir deine Moosbeeren gut gebrauchen, Awdotja.«
    »Tanja, hier pulsiert nichts! Papa, kannst du mich hören? Papa!«
    »Ist er ohnmächtig?«, flüsterte Agapkin.
    »Was fragen Sie? Schauen Sie in die Pupillen, messen Sie den Puls! Wer ist denn hier der Chirurg, ich oder Sie?«
    Sweschnikow war kurz ohnmächtig geworden. Agapkinspritzte ihm subkutan Kampfer und hielt ihm Salmiakgeist unter die Nase. Der Professor öffnete die Augen, leckte sich die trockenen Lippen und fragte heiser: »Wie geht es uns?«
    »Ich kann sie sehen! Die Pinzette, schnell!«, rief Tanja. »Wo ist die verdammte Pinzette?! Ah, da ist sie! Das war’s! Das Miststück!«
    Triumphierend reckte Tanja die Hand mit der Pinzette, in der ein blutiges Stück Blei klemmte.
    »Hier, Papa, sieh sie dir an, dieses Drecksstück.«
    »Tanja, du fluchst ja wie ein Kutscher«, flüsterte Sweschnikow kaum hörbar.
    »Mm-m«, stöhnte sie auf einmal und biss sich die Unterlippe blutig.
    »Tanja, was ist los?«, flüsterte Agapkin erschrocken und schaute ihr in die Augen.
    Ihre Pupillen waren verengt. Ein paar Blutstropfen zitterten in ihrem Mundwinkel. Sie atmete tief und schnell.
    »Nichts weiter.« Sie atmete entspannt ein und lächelte. »Jetzt wird genäht. Andrej, hol noch mehr Kerzen, es ist zu dunkel. Papa, möchtest du das bolschewistische Souvenir aufheben? Oder kann ich es wegwerfen?«
    »Behalt es. Wenn du deine Prüfung in Unfallchirurgie machst, zeigst du es vor, dann bekommst du gleich ein Sehr gut.«
    »Das glaubt mir doch sowieso niemand, dass ich die Kugel selber entfernt habe.«
    Die Schießerei draußen beruhigte sich allmählich. Nur hin und wieder ratterten Maschinengewehre oder knallten einzelne Schüsse.
    Sweschnikow schlief im Wohnzimmer, mit zwei Decken zugedeckt. Das verbundene Bein ruhte auf einer Sofarolle. Tanja,Andrej und Agapkin tranken am kleinen Tisch in der Ecke Tee. Die Kinderfrau saß in ihrem Zimmer und betete.
    Die Bolschewiki hatten den Kreml eingenommen. Oberst Rjabzew, der Oberkommandierende des Wehrkreises, verhandelte mit dem Revolutionären Militärkomitee. Er war allein im Kreml geblieben, mitten unter den aufständischen Soldaten. Der Kreml war von Fahnenjunkern umstellt. Die Abteilung unter dem Kommando von Oberst Danilow stand am Troiza-Tor. Von ihm kamen keinerlei Nachrichten. Das Telefon schwieg.

Sechzehntes Kapitel
Moskau 2006
    Colt saß am großzügigen Schreibtisch in seinem Büro.
    In seinem Kopf hämmerte es wie rasend. Er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Wieder und wieder hatte er sich das Gespräch mit Agapkin in Erinnerung gerufen und sich eingeredet, dass der alte Mann phantasierte. Colt konnte sich Iwan unmöglich als Giftmörder vorstellen. Subow war ein vernünftiger, nüchterner, äußerst vorsichtiger

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