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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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hatte nicht geblutet. Die Zehen ließen sich bewegen.
    »Wie sieht es draußen aus?«, fragte der Professor.
    »Schon ruhiger. Sie haben sich wohl auf einen Waffenstillstand geeinigt.«
    »In wessen Hand ist der Kreml? In unserer oder in ihrer?«
    »Woher soll ich das wissen, Michail Wladimirowitsch? Ich wollte doch nur zur Apotheke. Aber es ist alles geschlossen.«
    »O mein Gott, was sind das für Wunder? Wer war da so großzügig?« Die Kinderfrau hatte die Tüten und den Korb entdeckt, schlug die Hände zusammen und plapperte drauflos. »Michail, sieh nur! Käse, Schokolade, weiches Weißbrot, ein ganzes Pfund Rosinen, Kaviar! Andrej, Tanja, kommt schnell her!«
    »Unsere Awdotja hat doch hoffentlich nicht den Verstand verloren?«, flüsterte der Professor erschrocken.
    »Nein. Wir packen gleich alles aus und rücken den Tisch heran.«
    »Warten Sie, Fjodor«, der Professor berührte ihn am Arm, »sie phantasiert wirklich nicht?«
    »Nein.« Agapkin nahm eine dunkle Traube aus dem Korb und reichte sie ihm. »Essen Sie. Das brauchen Sie jetzt.«
    »Ich traue meinen Augen nicht. Ist das echt? Keine Attrappe?« Sweschnikow zwickte eine Beere ab, steckte sie in den Mund und kniff die Augen zusammen. »Mein Gott, noch vor kurzem gab es das alles, aber es kommt einem schon vor wie etwas längst Vergessenes.«
    Awdotja deckte den Tisch mit dem Festtagsporzellan und dem Silberbesteck. Sie schoben Sweschnikow Kissen in den Rücken und setzten ihn auf. Andrejs Augen glänzten. Nur Tanja blieb Agapkins Gaben gegenüber seltsam gleichgültig.
    Agapkin erzählte, er habe sämtliche umliegenden Apotheken abgeklappert, die Hoffnung auf Jod und Verbandszeug schon aufgegeben und beschlossen, ins Lazarett zu gehen, doch am Nikitskije-Tor sei er mit einem unbekannten älteren Herrn zusammengestoßen. Der Herr habe ihn respektvoll gegrüßt. Er habe sich als Vater eines jungen Leutnants zu erkennen gegeben, der 1915 mit einer schweren Verwundung im Lazarett gelegen und als hoffnungsloser Fall gegolten habe; aber Professor Sweschnikow habe ihn gerettet.
    »Wie hieß er? Ich erinnere mich an alle schweren Fälle.«
    »Es war mir peinlich, ihn danach zu fragen. Der Herr war so voller aufrichtiger Dankbarkeit, und ich hatte den Eindruck, dass ich ihn hätte erkennen sollen. Als ich sagte, dass Sie verletzt sind, hat er mich sofort mit nach Hause genommen. Jedenfalls, diese Gaben sind alle von ihm, aus seinen Vorräten. Sein Chauffeur hat mich im Automobil nach Hause gebracht.«
    »Recht so«, brummte Andrej mit vollem Mund, »sonst hätten Sie das nicht heil nach Hause schaffen können. Die Revolutionäre hätten Ihnen unterwegs alles abgenommen.«
    »Eine erstaunliche Geschichte«, sagte Sweschnikow. »Tanja, du solltest etwas essen.«
    Sie war blass und wirkte angespannt. Auf ihrem Teller lag eine unberührte Scheibe Weißbrot mit Kaviar.
    »Nun iss doch, Tanja«, forderte Awdotja sie auf.
    »Was ist mit dir?«, fragte Sweschnikow.
    »Nichts.« Sie atmete aus und schüttelte den Kopf. »Wie spät ist es?«
    Agapkin holte seine Taschenuhr heraus.
    »Fünf vor zehn.«
    »Ich gehe in mein Zimmer, ich muss mich hinlegen.« Sie stand schwerfällig auf, erstarrte plötzlich und klammerte sich an der Stuhllehne fest.
    Ganz in der Nähe krachten mehrere Schüsse. Das war ein schweres Geschütz. Die Fensterscheiben klirrten. Awdotja ächzte und bekreuzigte sich. Niemand außer Agapkin hörte, wie Tanja mit zusammengebissenen Zähnen stöhnte.
    Im Nu war er neben ihr, eine Hand auf ihrem Bauch. Im flackernden Licht der Petroleumlampe leuchteten Sweschnikows erschrockene Augen. Tanja atmete geräuschvoll aus.
    »Nehmen Sie die Hand weg, Fjodor. Ich weiß selbst, dass ich Wehen habe. Sie sind schon ziemlich stark und kommen alledrei Minuten. Papa, schau nicht so. Es ist dir doch nicht neu, dass eine Schwangerschaft mit einer Geburt endet?«
    »Aber doch erst in zwei Wochen«, flüsterte der Professor verwirrt.
    »Das dachte ich auch. Aber er hat anders entschieden. Er will wohl unbedingt sehen, was hier bei uns los ist.«
    Das Telefon funktionierte noch immer nicht, und es gab auch keinen Strom. Draußen wurde ununterbrochen geschossen. Der Kampf schien direkt unter ihren Fenstern zu toben. Der kurze Waffenstillstand war vorbei.
    Der Befehlshaber der Truppen des Moskauer Militärbezirks war aus dem Kreml geflohen, wo revolutionäre Soldaten ihn als Geisel gehalten hatten und beinahe getötet hätten. Wieder in Freiheit, stellte er dem

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