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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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Agapkin. Er wurde bewusstlos.
    Dann folgte ein schwarzes Loch, eine tiefe Ohnmacht. Er erinnerte sich hinterher nicht, wie sie losgefahren waren, erneut vor den Barrikaden gehalten hatten und der junge Mann zum Lazarett gelaufen war. Er kam erst zu sich, als er auf einer Trage eine vertraute Treppe hochgetragen wurde. Maslow kam ihm entgegengelaufen.
    »Wenn ihr ihn fallen lasst, erschieße ich euch! Fjodor, hörst du mich? Komm, mach die Augen auf! Bist du etwa verwundet? Wo? Ich sehe kein Blut. Eine Kontusion? Du bist ganz heiß. Typhus? Wo wollt ihr denn hin, ihr Trottel? Ich hab gesagt, nicht in den Gemeinschaftssaal! Ins Behandlungszimmer fünf!«
    Maslow und ein unbekannter junger Pfleger zogen Agapkin aus.
    »Fieber, über vierzig. Halt, was ist das? Ein Brief? Ah, an Michail Wladimirowitsch! Wie geht es ihm übrigens?«
    »Er ist verwundet, die Wade«, murmelte Agapkin.
    »Oho! Ist der Knochen verletzt?«
    »Nein.«
    »Gott sei Dank. Und wir sitzen hier und wissen nichts, aufdem Chodynka-Boulevard ist der Stab der Bolschewiki, da wird so geballert, dass man sich nicht raustraut. Wir schuften Tag und Nacht wie Zwangsarbeiter und schlafen schon im Gehen ein. Die Verwundeten werden dutzendweise gebracht, wir haben zu wenig Verbandsmaterial, zu wenig Betten, der Strom ist dauernd weg, es ist eiskalt. Die Pfleger und Feldscher sind abgehauen, hier arbeiten nur noch Freiwillige, Gymnasiasten und Studentinnen, aber was kann man von denen schon erwarten? Das sind Kinder. Wenn so ein sechzehnjähriges Fräulein Blut sieht, fällt es in Ohnmacht, und wir müssen das Dummchen wieder aufwecken, müssen unnütz Salmiak und Baldrian verschwenden! Wie ist der Professor denn zu seiner Verwundung gekommen? Wer hat die Kugel rausgeholt?«
    »Tanja.«
    »Allein? Zu Hause? Hör mal, sie muss doch demnächst entbinden!«
    »Hat sie schon. Einen Jungen.«
    »Wer war der Geburtshelfer? Du etwa? Wie heißt das Kind?«
    »Michail.«
    »Der Professor ist natürlich im siebten Himmel vor Freude? Ich muss mal vorbeischauen und es mir ansehen. Und was macht der Oberst, der glückliche Vater? Ist er am Leben? Zurückgekehrt? Er geht bestimmt an den Don, zu Kaledin, weiterkämpfen? Mach den Mund auf. Weiter, Fjodor, stell dich nicht an wie ein kleines Kind! Nimm die Zunge weg, ich sehe nichts. Kannst du mir nicht deinen Hals zeigen? So, der Hals ist sauber. Jetzt atmen. Noch mal. Keine Geräusche. Meine Güte, ein Puls wie ein Maschinengewehr! Waska! Magnesiumsulfat und Glukose, schnell!«
    Sie gaben Agapkin eine Spritze in die Vene, kontrollierten erneut Puls und Herzschlag, tasteten Bauch und Lymphknoten ab. Weitere Ärzte kamen hinzu, darunter Potapenko. Ihre Stimmenklangen dumpf, gedehnt und verschmolzen zu einem einzigen Dröhnen, das mit jeder neuen Schmerzattacke in Wellen anschwoll.
    » Und als sie ihn hatten hinausgebracht, sprach er: Errette deine Seele und sieh nicht hinter dich; auch stehe nicht in dieser ganzen Gegend. Auf den Berg rette dich, dass du nicht umkommst. Aber Lot sprach zu ihnen: Ach nein, Herr!«
    Agapkin öffnete die Augen. Im Halbdunkel erblickte er eine über ein Buch gebeugte Silhouette. Ein junges Mädchen in Gymnasiastinnenuniform saß an seinem Bett. Lange dunkle Haare verbargen ihr Gesicht.
    » Siehe, dieweil dein Knecht Gnade gefunden hat vor deinen Augen, so wollest du deine Barmherzigkeit groß machen, die du an mir getan hast, dass du meine Seele am Leben erhieltest.«
    »Was ist das?«, fragte Agapkin.
    » Genesis, Kapitel 19«, antwortete das Mädchen und schlug das Buch zu. »Ich habe ein Unbefriedigend in Religion, seit dem Frühjahr versuche ich, die Prüfung zu wiederholen. Der Diakon, Vater Artemi, ist ziemlich gemein. Er lässt uns seitenweise auswendig lernen. Wie geht es Ihnen?« Sie legte ihm ihre leichte Hand auf die Stirn. »Sie haben hohes Fieber. Soll ich vielleicht den Doktor rufen?«
    »Nicht nötig. Wie alt sind Sie?«
    »Sechzehn. Haben Sie Durst?«
    »Ja. Wie heißen Sie?«
    »Katja.«
    Sie brachte eine Tasse warmes Wasser und sagte, dass sie erst den zweiten Tag hier arbeite. Eine Schwesternuniform habe sie noch nicht bekommen, es seien nicht genug da. Aber sie werde sowieso bald wieder aufhören. Die Arbeit sei zu schwer.
    »Katja, der Religionsunterricht wurde doch nach dem Februar an allen Gymnasien abgeschafft«, fiel Agapkin plötzlich ein, »per Erlass. Wieso studieren Sie dann das Alte Testament?«
    Sie lachte leise und schüttelte den Kopf.
    »Der Diakon ist mein Onkel. Er

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