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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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nennen.
    »Wo sind deine Eltern?«, fragte Sweschnikow.
    »Zu Hause, in Charkow«, antwortete der Junge.
    Während Tanja und Schwester Arina den Jungen wuschenund ihm zu essen gaben, erzählte er, dass er die erste Klasse des Gymnasiums besuche und mit einem Wanderzirkus von zu Hause weggelaufen sei. Unterwegs habe eine deutsche Bombe ihr Fuhrwerk getroffen, alle seien getötet worden, nur er habe überlebt und sei durch den erlebten Schrecken ergraut.
    »Aber deine Eltern suchen dich doch, machen sich Sorgen.« Schwester Arina schüttelte den Kopf.
    »Ach wo. Ich habe mit ihnen telefoniert«, antwortete der Junge, »sie wissen Bescheid.«
    »Worüber?«, fragte Tanja.
    »Dass ich in Moskau bin und zum Theater will. Ich will den Narren im König Lear spielen. Ich muss nur erst gesund werden.«
    Während Professor Sweschnikow den Jungen untersuchte, schwatzte der ununterbrochen. Er erklärte, er sei gar nicht von zu Hause weggelaufen, es habe sich einfach zufällig ergeben. Schon im Sommer sei auf einer Wiese in der Nähe der Datscha ein deutscher Aeroplan gelandet. Der Pilot habe Ossja nach dem nächsten Wirtshaus gefragt und sei essen gegangen, und Ossja sei in die Kabine geklettert, habe am Steuer gedreht, einen Hebel heruntergedrückt, und da sei der Aeroplan losgeflogen. Ossja sei erst erschrocken, aber dann habe es ihm gefallen, er sei höher geflogen als die Wolken und habe sogar einen Passagier mitgenommen, den alten Raben Jermolai. Dieser Rabe habe früher auf einem Baum vor Ossjas Haus gelebt, er sei klug und freundlich gewesen, habe sprechen können und aus der Hand gefressen, sei dann aber verschwunden. Und nun habe Ossja ihn am Himmel wiedergetroffen und in die Kabine seines Aeroplans geholt. Der Rabe habe erzählt, er sei vor den Agenten der Geheimpolizei geflohen, weil er mit den Sozialdemokraten sympathisierte und nachts Flugblätter geklebt habe, und die gemeinen Spatzen hätten ihn denunziert.
    »Jermolai und ich sind geflogen, bis wir froren. Am Himmelist es nämlich kalt, kälter als auf der Erde. Eines Nachts sind wir in Moskau gelandet, im Neskutschny-Garten. Es war dunkel, niemand hat uns gesehen. Wir haben den Aeroplan in einer Blumenrabatte vergraben. Ich habe beschlossen, inkognito in Moskau zu bleiben, einen anderen Namen anzunehmen und ein großer Filmschauspieler zu werden, wie Herr Chaplin. Jermolai hatte Angst hierzubleiben. Die Agenten waren hinter ihm her, er hatte keinen Pass, und er hatte die Ansiedlungszone verlassen. Also haben wir uns getrennt.«
    »Wo wohnst du?«, fragte der Professor, während er die Lymphdrüsen am Hals des Jungen abtastete.
    »Jetzt nirgendwo. Früher im Maljuschinka-Viertel, in einer Pilgerherberge, die Köchin dort, Pelageja Gawrilowna, ist eine nette Frau. Ich habe für sie Kartoffeln geschält und ihr die Zeitungen vorgelesen, mit Gefühl. Aber dann ist ihr ein persönliches Drama passiert. Ihr intimer Freund Pachom hat sie mit der Tochter des Hausherrn betrogen. Pelageja hat angefangen zu trinken. Wenn sie betrunken war, hat sie erst geweint und dann mich verprügelt, mit allem, was ihr gerade in die Hände fiel, und geschrien, ich hätte Jesus Christus verkauft. Ich habe versucht, ihr zu erklären, dass dieses Verbrechen vor sehr langer Zeit geschehen ist, vor 1916 Jahren, und ich also nichts damit zu tun haben kann. Da wurde sie noch wütender, fuchtelte mit dem Schüreisen herum und erklärte dann, ich sei ein deutscher Spion, ein Freimaurer, ich hätte Russland zugrunde gerichtet und würde mit dem Blut christlicher Säuglinge Matze backen. Ich habe gesagt, dass die Juden nichts essen, wo Blut drin ist, weil das nicht koscher ist, und dass sie Matze nur aus Mehl und Wasser machen, nicht einmal Salz tun sie rein.«
    »Ossja, erinnerst du dich, wann du krank geworden bist?«, fragte der Professor.
    »Mit fünf, glaube ich. Erst wurde ich immer dünner. Mamahat mich gepäppelt, wie sie konnte, aber ich wurde immer dünner. Ich war blass, und meine Haut war ganz welk und faltig. Dann wurden die Haare weiß, und das Atmen wurde schwer, wenn ich ein bisschen schnell laufe, fange ich an zu keuchen.«
    »Haben deine Eltern dich irgendwelchen Ärzten vorgestellt?«
    »Natürlich. Die besten Ärzte von Charkow haben mich untersucht, sogar Professor Ljamport.«
    »Ljamport? Iwan Jakowlewitsch? Interessant. Erinnerst du dich, was er gesagt hat?«
    »Sehr gut sogar. Er hat gesagt, dass ich ein kluger Junge bin und dass das alles vorbeigeht. Ich soll mehr Fleisch,

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