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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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erstarrte auf der Türschwelle. Die Alte hatte die Verbände von den Stümpfen abgenommen. Auf dem Nachttisch stand eine Schüssel mit einer schmutzigen Flüssigkeit, in die die Frau Lappen eintauchte und sie dann auf die offenen Wunden legte.
    »Was machen Sie da?«, rief Tanja.
    »Schrei nicht so, Mädchen, der Doktor hat’s mir erlaubt.«
    »Welcher Doktor?«
    »Der allerbeste«, meldete sich Karas, »Professor Sweschnikow.«
    »Unsinn, das kann er Ihnen nicht erlaubt haben, das ist unmöglich! Hören Sie sofort damit auf!«
    »Beruhige dich, Tanja«, sagte ihr Vater, als sie ihn im benachbarten Krankensaal gefunden hatte, »das ist Ysopschimmel. Kennst du Ysop? Der wird sogar im Psalter erwähnt: ›Entsündige mich mit Ysop, und ich werde rein sein; wasche mich, und ich werde weißer sein als Schnee.‹« 4
    »Papa, es reicht! Du bist doch kein ungebildetes altes Weib, du weißt, dass Schimmel Schmutz ist. Das ist unhygienisch.«
    »Tanja, du kennst dich in der Medizin aus, aber je länger ich mich damit beschäftige, umso deutlicher spüre ich, wie nichtig mein Wissen ist.« Der Professor schüttelte den Kopf. »Im altägyptischen Papyrus Edwin Smith, dem Wundenbuch, stehen Rezepte zur Behandlung eiternder Wunden mit Brot- und Holzschimmel. Das war im sechzehnten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. In der Volksmedizin wird Schimmel bereits seit Tausenden von Jahren angewendet, sowohl bei uns in Europa als auch in Asien. Manchmal hilft er. Wie und warum, das weiß niemand.«

Drittes Kapitel
    Außer dem Restaurant »Je t’aime« und dem Sportcoupé, das rund eine Million Euro kostete, besaß Pjotr Colt noch ein Dutzend Restaurants in Moskau, Petersburg, Prag und Nizza. Restaurants waren sein Hobby. Er kaufte sie zum Vergnügen, nicht um des Gewinns willen, ebenso wie Villen an den schönsten Küsten, Jachten, Sportwagen, Gemälde und Fabergé-Eier.
    Colt leitete ein kleines, aber starkes Finanzimperium, zu dem zwei, drei Banken gehörten, ein Dutzend Ölquellen, eine Tankstellenkette und eine Reihe bescheidener Wodkafabriken in der russischen Provinz. Colt war Mitbegründer mehrerer Wohltätigkeitsfonds und Preise. Für seine Spenden für den Bau orthodoxer Kirchen hatte er den Orden des Heiligen Gottesfürchtigen Fürsten Daniil Moskowski dritter Klasse erhalten. Für seine Verdienste um den buddhistischen Glauben war er mit dem Titel eines Ehrenbuddhisten und Doktors der buddhistischen Philosophie ausgezeichnet worden, nicht ganz zu Unrecht, denn er hatte Philosophie studiert.
    Im lange zurückliegenden Jahr 1965 hatte er die philosophische Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität absolviert. Sein Diplom hatte er nicht auf dem Gebiet des Buddhismus verteidigt, sondern in Marxismus-Leninismus, und anschließend den verantwortlichen Posten des für Agitation und Propaganda zuständigen Zweiten Sekretärs zunächst in einer Kreis-, dann in der Stadtleitung des Komsomol bekleidet.
    In den siebziger Jahren, der Zeit der Stagnation, hatte er eine Abteilung im ZK des Komsomol geleitet und alle damit verbundenen Privilegien genossen, doch von Beginn seiner Komsomolkarriere an hatte er gespürt, wie wacklig die sowjetische Nomenklaturpyramide war, und auf seinem Weg nach obenstets daran gedacht, sich ein weiches Lager zu schaffen, falls es für ihn einmal abwärts ging.
    Dazu kam es nicht. Zu seinen Freunden gehörten einige bedeutende illegale Unternehmer und sogar eine Kriminellenautorität, und die wirren Neunziger trafen Colt nicht unvorbereitet.
    Stonewashed Jeans, Raubkopie-Kassetten, gefälschte Wodka-Etiketten, Kooperativläden, Finanzpyramiden, Immobilien – mit all dem verdiente er Geld. Die irrsinnig galoppierende Inflation, die Privatisierung durch Vaucher und Pfandscheinauktionen, Putsche, Krisen, Währungscrashs – das alles nützte ihm, denn er war klug und nicht geldgierig, er war kompromissfähig und dachte in jeder Situation mehrere Schritte voraus.
    Die illegalen Unternehmer wurden ermordet und eingesperrt, die Kriminellenautorität floh nach Amerika und wurde dort mit großem Trara verhaftet, doch da war Colt bereits nicht mehr mit ihnen befreundet. Seine Freunde waren nun Afghanistan-Veteranen, Sportler, junge Reformpolitiker. Er geizte nicht mit Geld für die Einrichtung von Hilfsfonds für diese, jene und letztere, er unterstützte Miliz-Veteranen, Klöster und Altenheime, beteiligte sich am Bau eines Gesundheitszentrums für Waisenkinder.
    Mitte der Neunziger wurde er zum

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