Bis in alle Ewigkeit
kann ich da rumsitzen?«
»Sie spielen verrückt. Das ist eine Epidemie, Tanja. Akute administrative Psychose. Die Fußböden wischen und die Matratzen wechseln muss man bei Bedarf, nicht aus Anlass gräflicher Visiten.«
»Sie sind nur deshalb so mutig, Michail Wladimirowitsch, weil man Sie nicht an die Front schicken wird«, ertönte neben ihnen die heisere Stimme des Internisten Maslow.
»Wieso? Und ob man das kann. Ich war den ganzen japanischen Krieg an der Front.«
»Ja, damals, aber jetzt – um keinen Preis. Für Sie wird mansich bald auf allerhöchster Ebene interessieren, Michail Wladimirowitsch, man wird Sie hüten wie eine kostbare Perle. Das ist angenehm, aber auch gefährlich. Erinnern Sie sich, was Doktor Rosen erzählt hat von einer wohlbekannten Person, auf deren Haut Perlen sterben?« Maslow flüsterte nun. »Nachts werden die Perlen einem einfachen Bauernweib umgehängt, damit sie mit gesundem Schweiß getränkt werden.«
»Wovon reden Sie, Valentin Jewgenjewitsch?«, fragte Tanja erstaunt.
»Geh schon, bleib nicht hier stehen!« herrschte der Professor sie leise an.
»Sie würden sowieso nicht verstehen, wovon ich rede, Tanja. Das müssen Sie auch nicht. Aber Ihr Vater hat mich sehr wohl verstanden.« Maslow reichte dem Professor eine zusammengerollte dicke Zeitung und eilte die Treppe hinauf. »Seite fünfzehn, Neues aus der Wissenschaft. Ich habe es für Sie mit Bleistift markiert!«, rief er, über das Treppengeländer gebeugt.
Tanja nahm ihrem Vater die Zeitung aus der Hand. Es war die neueste Ausgabe des »Moskauer Beobachters«. Die mit Bleistift angestrichene Notiz trug die Überschrift: Ist Verjüngung möglich ? Tanja las sie in hastigem Flüsterton vor, und der Professor hörte mit düsterer Miene zu.
»Der Medizinprofessor M. W. Sweschnikow steht kurz vor der Verwirklichung des uralten Traums der Menschheit von der Wiedererlangung der Jugend und der Verlängerung des Lebens. Endlich befassen sich mit diesem brennenden Problem nicht mehr nur finstere Scharlatane, Hexer und Alchemisten, sondern Vertreter der seriösen akademischen Wissenschaft. Infolge einer besonderen therapeutischen Behandlung wurden einige gebrechliche Versuchstiere wieder jung. Darunter sind vier Ratten, drei Hunde und ein Menschenaffe. Sie alle leben im häuslichen Laboratorium von Professor Sweschnikow, und es gehtihnen, wie Augenzeugen berichten, ausgezeichnet. Seine Methode hält der Professor streng geheim, auf Fragen unseres Korrespondenten verweigerte er die Antwort. Doch aus zuverlässigen Quellen ist bekannt, dass bald Menschenversuche folgen werden.«
Die Unterschrift unter der Notiz lautete: B. Vivarium.
Als Tanja zu Ende gelesen hatte, schaute der Professor nicht mehr düster, sondern lachte leise und sagte: »Morgen erstatte ich Anzeige gegen sie. Dieser Herr B. Vivarium soll mir eine Strafe zahlen, und zwar so viel, wie ein verjüngter Menschenaffe kostet.«
Unten war Getrampel zu hören, mehrere Gendarmerieoffiziere kamen rasch die Treppe herauf. Hektik und Gerenne hatten ihren Höhepunkt erreicht, als bekannt geworden war, dass nicht nur der Graf heute das Lazarett besuchen würde, sondern auch Ihre kaiserliche Majestät samt den Prinzessinnen. Das Personal war angewiesen worden, sich still zu verhalten, seinen üblichen Arbeiten nachzugehen, die Verwundeten zu versorgen, sich nicht in den Gängen zu drängen, nicht zu gaffen, nicht »hurra!« zu schreien und die hochwohlgeborenen Personen nicht mit unsinnigen Bitten zu belästigen.
Der Chefarzt verlas eine Liste derer, die zusammen mit ihm die hohen Gäste am Eingang begrüßen sollten. Die übrigen bat er, in die Krankensäle zu gehen. Ganz oben auf der Liste stand Professor Sweschnikow, dann drei verdiente Ärzte, keiner davon von einem geringeren Dienstgrad als Oberst, und als Vertreterinnen der Krankenschwestern zwei alte Nonnen und Tanja.
»Es dürfen nicht zu viele sein«, erklärte der Chefarzt, »Ihre Majestät mag keine Menschenmengen, zudem würde es sofort heißen, dass unsere Verwundeten ohne Fürsorge seien.«
Diejenigen, denen die Ehre zugefallen war, die hohen Gästezu begrüßen, gingen hinaus auf die Vortreppe. Der Morgen war kalt und klar gewesen. Doch gegen Mittag hatte sich der Himmel verdüstert, und ein starker Wind war aufgekommen, der an den Säumen der weißen Kittel zerrte und die Augen tränen ließ. In der frierenden kleinen Menge wurde leise geredet.
»Ihre Majestät sorgt sich mehr als wir um die
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