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Bis in alle Ewigkeit

Bis in alle Ewigkeit

Titel: Bis in alle Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Daschkowa
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holte eine Zigarette heraus.
    »Untersteh dich, jetzt zu rauchen«, warnte Sofja, »es ist zu kalt, um das Fenster aufzumachen, und auf dem Rückweg sitzt Mama im Auto, wenn sie den Zigarettenqualm riecht, nervt sie mich zu Tode.«
    »Sofie, auf den Fotos war doch auch Professor Sweschnikow«,murmelte Nolik und steckte die Zigarette brav wieder in die Schachtel. »Als du eben die Verjüngungskur erwähnt hast, ist mir das wieder eingefallen. Stalin hat sich sehr dafür interessiert. Vielleicht wurden ihm ja keine fremden Drüsen implantiert, aber das Institut für experimentelle Medizin hat sich jedenfalls ernsthaft mit Fragen der Lebensverlängerung befasst. Ich habe kürzlich im Fernsehen einen Dokumentarfilm gesehen, da ging es genau darum. Darin hieß es, es werde behauptet, Sweschnikow habe ein geheimes Labor geleitet und für Stalin persönlich an Methoden zur Verjüngung gearbeitet.«
    Sofja stieß einen leisen Pfiff aus und nahm sogar eine Hand vom Lenkrad, um sich an die Stirn zu tippen.
    »Michail Sweschnikow ist im Februar 1922 aus Sowjetrussland nach Finnland abgehauen. Zusammen mit seiner Tochter Tanja, seinem Sohn Andrej und seinem Enkel Mischa ist er über den Finnischen Meerbusen geflohen. Höchstwahrscheinlich ist Professor Sweschnikow nach dieser Reise an einer Lungenentzündung gestorben. Der Frost, der Wind. Sie hatten nur einen Schafpelz und eine Wolldecke, Sweschnikow hat Tochter und Enkel in die Decke gehüllt und den Schafpelz seinem Sohn gegeben, er selbst trug nur einen Pullover und eine dünne Jacke.«
    »Wo hast du das gelesen?«
    »Nirgends. Das hat mir Fjodor Agapkin erzählt. Er war Sweschnikows Assistent, noch vor der Revolution.«
    »Wer?« Nolik zuckte zusammen, hüpfte beinahe vom Sitz. Hätte er sich nicht angeschnallt, wäre er wohl mit der Stirn gegen die Windschutzscheibe geprallt. »Ist dir klar, was du da sagst, Sofie? Das hat dir Agapkin erzählt, Sweschnikows Assistent! Wann ist der denn geboren?«
    Sofja runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern, dann sagte sie verwirrt: »1916 war er sechsundzwanzig, glaube ich. Als ich Aspirantin war, hat Bim mich zum ersten Mal mitgenommenzu Agapkin. Er wohnt irgendwo im Zentrum, in der Brestskaja. Er kannte Pawlow und Bogomolez. Er ist in Russland geblieben und hat an eben jenem Institut für experimentelle Medizin gearbeitet.«
    »Moment mal, bringst du da auch nichts durcheinander? Ist er wirklich fast hundertzwanzig Jahre alt?«
    Sofja schwieg eine Weile. Sie waren auf dem Parkplatz am Flughafen angekommen und stiegen aus. Nolik zündete sich sofort eine Zigarette an. Sofja, in ihren Turnschuhen durch den Schneematsch hüpfend, erklärte plötzlich mit nervöser Heiterkeit: »Stimmt, Agapkin ist 1890 geboren. Er ist alt und verschrumpelt wie eine Mumie, aber kein bisschen senil. Er ist voll da. Übrigens behauptet er, ich sähe Sweschnikows Tochter Tanja sehr ähnlich. Wenn ich mir die Haare wachsen ließe, würde ich aussehen wie sie. Aber das ist natürlich Unsinn. Sweschnikows Tochter war eine Schönheit. Der Alte sieht einfach nicht mehr gut. Bim und ich haben ihn ein paarmal besucht.«
Moskau 1916
    Die Laternen brannten trübe, in den Seitengassen war es völlig dunkel. Wolodja fasste Agapkin unter.
    »Haben Sie Angst, dass ich weglaufe?«, fragte Agapkin.
    »Nein, aber es ist sehr glatt.«
    Agapkin machte sich los.
    »Ich kann es nicht leiden, mit einem Mann untergehakt zu laufen.«
    »Weil die Leute, Gott behüte, etwas Falsches denken könnten?« Wolodja lächelte, seine weißen Zähne leuchteten im Dunkeln. »Unsinn, hier ist niemand. Die Straßen sind leer und düster, als wäre alles bereits geschehen.«
    »Was – alles?«
    »Die Revolution, die Apokalypse, das blutige Chaos, nennen Sie es, wie Sie wollen. In den verschiedensten Bevölkerungsschichten ist davon die Rede, doch niemand begreift Sinn und Ziel der bevorstehenden Ereignisse.« Wolodja sprach dumpf und heiser, als bereitete die Erwähnung des »blutigen Chaos« ihm sinnlichen Genuss. Er atmete sogar rascher.
    »Aber Sie verstehen es?«, fragte Agapkin spöttisch.
    Wolodja antwortete nicht. Er lief schneller, überholte Agapkin, bog in einen Torweg ein und war verschwunden.
    »Kommen Sie, das ist eine Abkürzung«, vernahm Agapkin seine Stimme aus der Finsternis und dachte, dass der Sohn des Professors offenbar im Dunkeln sehen konnte wie eine Katze.
    Der Durchgangshof wurde vom Licht aus einigen Souterrainfenstern trübe beleuchtet. Die Häuser waren

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