Bis in den Tod hinein
andere Art beweisen, wie gut er geraten ist. Jetzt brauchte Drexler also jemanden, der nach seinem eigenen Tod das Machwerk an die große Glocke hängen würde, damit es zu einer unsterblichen Legende werden konnte. Und wer konnte ihm dazu geeigneter erscheinen als Venske?«
Gleich würde der Fahrstuhl sein Ziel erreicht haben, Boesherz musste zum Ende seiner Ausführungen kommen.
» Dann muss irgendwas passiert sein. Entweder hat Drexler doch noch kalte Füße bekommen, oder Venske hatte Angst, dass Drexler ihn nach seinem Tod als Mittäter anschwärzen oder sogar das wertvolle Werk doch nicht an ihn, sondern an jemand anderen weitergeben würde. Wie auch immer, jedenfalls gab es für Venske Gründe, Druck auf Anselm auszuüben. Aber womit übt man Druck auf einen Irren aus, der sich schon längst von der Welt verabschiedet hat? Genau: mit seiner Liebe zu Tanja. Venske hat sie entführt und Drexler damit gedroht, sie in ihrem Versteck verhungern zu lassen, falls er das Buch nicht wie besprochen realisiert und es ihm exklusiv und mit allen Rechten daran zukommen lässt. Das erklärt auch das zeitliche Zusammenfallen von Tanjas Verschwinden und dem unmittelbar darauffolgenden Beginn der Mordserie. Wie komme ich auf verhungern? Betrachten wir dazu Anselms Verhalten: Er hat innerhalb von weniger als zehn Tagen seine Opfer abgearbeitet und mir dann mitgeteilt, dass Tanja nicht mehr viel Zeit bliebe. Weil Venske sich aufgrund seines Berufes kaum um sein Entführungsopfer kümmern konnte, schien mir offenkundig, dass van Beuten sich selbst überlassen war und damit von einer natürlichen Todesart bedroht. Erfroren wäre sie aber innerhalb weniger Stunden, verdurstet nach bestenfalls vier Tagen. Verhungert dagegen in etwa zehn bis vierzehn Tagen, ein schlankes Topmodel wie van Beuten eher schneller. Zumal im Winter, wenn der Körper zusätzliche Energie verbrennt, um sich warm zu halten. Drexler war zwar verrückt, aber nicht dumm. Ihm war durchaus bewusst, dass es für Venske keinen sinnvollen Grund gab, Tanja wirklich freizulassen, nachdem das Buch in seinen Besitz gekommen und dessen Autor tot war. An diesem Punkt komme ich ins Spiel. Ich könne noch ein Leben retten, wenn ich allein zu ihm komme. Das hat er mir über Olivia ausrichten lassen. Gemeint war Tanjas Leben, und allein kommen sollte ich, weil er nur mir zugetraut hat, dass ich das Rätsel um Venske löse und Tanja rechtzeitig finde.«
» Warum hat Drexler dir denn nicht einfach gesagt, wer der Entführer ist?«, hakte Dennis nach.
» Das wäre ein Verstoß gegen seine Vereinbarung mit Venske gewesen. Anselm Drexler war zwanghaft pedantisch, außerdem hätte er niemals offenen Verrat an einem Kameraden begangen«, antwortete Bartholy, die sich nur allzu gut an Anselms Störungen erinnern konnte.
In diesem Moment hatte der Lift das Penthouse des Produzenten schließlich erreicht.
» Also«, mahnte Boesherz seine Begleiter, während sie ohne erkennbare Hektik lässig aus dem Fahrstuhl traten. » Wir haben genau einen Versuch!«
Venskes Wohnung war beeindruckend. Im Stil eines Lofts erstreckten sich Garderobe, Küche, Wohnzimmer und Essbereich ohne Trennwände über eine Fläche von mehr als hundert Quadratmetern. Drei der vier Wände waren bodentief verglast und ermöglichten einen einzigartigen Panoramablick über die Hauptstadt, die ihren Betrachtern schneebedeckt und hell erleuchtet zu Füßen zu liegen schien.
» Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Venske seine Gäste und öffnete die Klappe seiner Hausbar, in der sich zahlreiche alte Whiskys und verschiedene Rumsorten befanden. » Dieser Scotch hier ist über zwanzig Jahre alt.«
Überall an den Wänden hingen Fotos, die den Produzenten an der Seite namhafter nationaler, aber auch internationaler Stars und Sternchen zeigten.
» Wir sind leider noch im Dienst«, wiegelte Dennis lächelnd ab.
Boesherz schlenderte vorsichtig über die handgeknüpften Perserteppiche und nahm dabei unauffällig die Wohnung unter die Lupe. Bartholy betrachtete unterdessen den Gastgeber und dessen Körpersprache. Venske schenkte sich nun selbst einen guten Schluck seines edlen Single Lowland Malt ein und schwenkte ihn gekonnt im Glas, bevor er besorgt fragte: » Sie haben Tanja immer noch nicht gefunden, oder?«
» Leider nicht, und es kommt noch schlimmer«, antwortete Dennis. » Ich habe meine beiden Kollegen mitgebracht, weil wir mittlerweile herausgefunden haben, dass es eine Verbindung gibt. Zwischen Tanjas
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