Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
Vom Netzwerk:
Fehler in seiner Erziehung, also das oft belächelte und doch fast immer zutreffende Klischee von der schweren Kindheit. Wenn Jack also aus einer Familie stammt, die im Dritten Reich systemtreu war, sogar SS -Beziehungen hatte, dann scheint mir ziemlich sicher, dass er im Fahrwasser einer Ideologie aufgewachsen ist, in der es wichtiger war zu gehorchen, als nach irgendwelchen Gründen zu fragen. Jack besitzt keinerlei Toleranz, er kennt keine Liberalität. Ich gehe davon aus, dass er von seinem Vater großgezogen wurde.«
    Boesherz folgte den Ausführungen aufmerksam und ohne dabei Zwischenfragen zu stellen.
    » Man hat ihn gelehrt, Befehle zu befolgen. Für Regelverstöße ist er vermutlich hart bestraft worden. Das ist ein typisch männliches Erziehungsmuster– Männer passen ihre Kinder gern an sich und ihr eigenes Denken an, Frauen geben eher nach. Seine Werteordnung lässt keinen Spielraum für Abweichungen zu, und jetzt, als Erwachsener, hat sich seine Intoleranz so weit gesteigert, dass er sich dafür entschieden hat, seine Werteordnung auch anderen aufzuzwingen, sie zu assimilieren.«
    Severin Boesherz’ ablehnende Haltung gegenüber der Expertin wich zusehends. Er strahlte zufrieden und erwiderte: » Er könnte wegen entsprechender Delikte aktenkundig sein. Vielleicht ein Querulant, der permanent seine Nachbarn anzeigt, oder jemand, der die Nachbarskinder schlägt oder mit einem Luftgewehr auf sie schießt.«
    » Das klingt gut. Im Übrigen ist Jack Berliner, zumindest schon sehr lange. Ist Ihnen mal aufgefallen, wie gut er seine Tatorte wählt?«
    » Nein, ich war zu sehr damit beschäftigt, Vorhänge für meine neue Wohnung auszusuchen.«
    » Ich meine nicht, dass die Tatorte abgeschieden und wohlüberlegt gewählt waren«, überging Bartholy den Spott des Kommissars. » Ich meine, dass sie auf eine auffallend gute Kenntnis dieser riesengroßen Stadt schließen lassen. Er scheint für seine Morde jeden noch so abgelegenen Ort in Betracht zu ziehen, was notwendigerweise zu bedeuten hat, dass er auch jeden noch so abgelegenen Ort in Berlin kennt.«
    » Ihre Schlussfolgerung?«
    » Ich nehme an, er ist oder war Taxifahrer. Keine Berufsgruppe kennt ihre Stadt besser. Dieser Beruf passt aber nicht in sein Täterprofil, deswegen ist er vermutlich nur notgedrungen Taxi gefahren. Ich vermute, während seines Studiums.«
    » Was hat er denn studiert?«, forderte Boesherz Bartholy weiter heraus und lächelte sie dabei vielsagend an.
    » Etwas, bei dem es um Regeln geht, die nicht verhandelbar sind. Mathematik, Physik, vielleicht auch Jura. Nichts Kreatives, da gibt es verschiedene Ansichten und Auslegungsmöglichkeiten. Jack diskutiert nicht gern. Er hat mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit einen Beruf, in dem er Menschen belehrt. Belehrung ist quasi seine Obsession. Deswegen bestraft er auch diejenigen, die sich nicht an seine Vorstellung von einer gesellschaftlichen Grundordnung halten. Vielleicht ist er Lehrer, Richter oder…«
    Linda Bartholy stockte, bevor sie Boesherz zuzwinkerte.
    » …oder Polizist«, beendete dieser den Satz.
    » Das haben Sie gesagt. Er könnte aber auch Journalist sein«, gab Bartholy zu bedenken. » Immerhin sucht er seine Opfer ja nach Medienberichten aus.«
    » Das würde erklären, woher er die Identität von Kai Jurek kannte«, räumte Boesherz ein und sah Bartholy erwartungsvoll an. » Nicht übel.«
    Der Expertin war deutlich anzusehen, dass ihr das Lob des strengen Ermittlers schmeichelte.
    » Wissen Sie, ich befasse mich schon so lange mit diesen Menschen, dass ich fast schon glaube, in ihre Köpfe sehen zu können«, erzählte sie, bevor sie noch einen Schluck Wasser trank. » Daher auch der Titel meines Buches.«
    » Wir suchen also einen Akademiker mit Wohnsitz in Berlin, der eine Taxilizenz hat oder hatte und der in einem Beruf tätig ist, in dem er Regeln befolgt oder sie durchsetzt. Im Zusammenhang mit der seltenen Pistole und den DNA -Spuren, die wir mit ziemlicher Sicherheit an Jureks Leiche finden werden, sollten Jacks Tage also bald gezählt sein.« Zufrieden strich sich der Kommissar seine Krawatte glatt, als er hinzufügte: » Eine Antwort schulden Sie mir aber noch.«
    Für einen Moment herrschte Stille im Konferenzraum. Dann glaubte Bartholy verstanden zu haben, worauf der Kommissar anspielte. » Bei wem er das nächste Mal zuschlägt?«
    Boesherz zuckte nicht einmal mit der Augenbraue. » Die Menschen, die Jack bisher bestraft hat, haben anderer Leute Eigentum

Weitere Kostenlose Bücher