Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis in den Tod hinein

Bis in den Tod hinein

Titel: Bis in den Tod hinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincent Kliesch
Vom Netzwerk:
der Kunstwerke aus Wachs durch den Kopf ging. Über die Frage, wie viel teurer eine Wachsfigur wohl werde, wenn man auch ihr Gebiss sehen konnte, darüber, dass die meisten der noch lebenden Prominenten persönlich Gesichtsabdrücke von sich hatten anfertigen lassen, und über die Frage, welches künstlerische Geschick es erforderte, historische Figuren wie Johann Sebastian Bach oder Sigmund Freud lange nach ihrem Tod und teilweise nur anhand von Ölgemälden noch lebensecht nachzubilden. Boesherz hatte gelesen, dass eine einzige Wachsfigur zweihunderttausend Euro kostete und dass teilweise durch Besucherbefragungen entschieden wurde, welcher Prominente in die Ausstellung aufgenommen wurde und welcher nicht. Er und Olivia fachsimpelten angesichts der ausgestellten Figuren über alle erdenklichen Themen. Über Politik, Sport, Gesellschaft und Königshäuser und sogar über Literatur, als sie an den Wachsfiguren der bedeutenden Schriftsteller Günter Grass, Bertolt Brecht und der eines aufstrebenden deutschen Thrillerautors vorbeischlenderten, dessen Name Boesherz partout nicht einfallen wollte, obwohl er erst vor Kurzem eine spannungsgeladene Trilogie von ihm verschlungen hatte. Nur über ein Thema verloren die beiden kein einziges Wort: über Jack, seine seltene Pistole und das streng geheime Treffen mit einem Insider der rechtsextremen Szene.
    » Der blaue Engel!«, stieß Boesherz aus, als sie vorbei an Marilyn Monroe und Kaiserin Sisi die Wachsnachbildung von Marlene Dietrich erreicht hatten.
    Mit Frack, Zylinder und Zigarettenspitze in der Hand saß die Filmdiva in verführerischer Pose da und überstrahlte mit ihrem Glamour nicht nur die anderen Figuren um sie herum. Sogar viele der echten Menschen konnten dem Charisma der Dietrich in Wachs nichts entgegensetzen.
    » Sie hat sich nie vor Goebbels’ Karren spannen lassen«, sagte Boesherz anerkennend.
    Dann trat er an die Figur heran, griff den Zylinder, der für die Besucher bereitgestellt wurde, damit diese Erinnerungsfotos damit machen konnten, und setzte sich zur Dietrich.
    » Ihr passt super zusammen«, staunte Olivia.
    Tatsächlich war ihr Kollege in seiner wie immer stilsicheren Bekleidung eine perfekte Ergänzung der mondän abgebildeten Diva.
    » Und, Marlene, hast du vielleicht ein paar Insiderinformationen für mich? Adolf hat gerade kein Wort rausgebracht«, flüsterte Boesherz der Wachsfigur gerade so laut ins Ohr, dass Olivia es mitbekam.
    Bevor Olivia, die immer unsicherer wurde, etwas dazu sagen konnte, legte Boesherz den Zylinder auch schon wieder beiseite, verneigte sich höflich vor der Wachsfigur der Dietrich und machte sich dann auf den Weg in den Raum mit den zeitgenössischen deutschen Showgrößen.
    » Hier sind wir richtig!«, freute sich Severin, als er Günther Jauchs Wachsnachbildung gegenüber dem leeren Kandidatenstuhl der Erfolgsshow Wer wird Millionär? sah.
    Er forderte Olivia auf, Platz zu nehmen und ihre Aufmerksamkeit auf den Monitor zu richten, auf dem Quizfragen aus der TV -Show zu sehen waren, die von den Besuchern per Touchscreen beantwortet werden konnten.
    » Die erste Frage«, begann Boesherz und sah Olivia dabei ernst an. » Wenn ein Täter eine seltene Naziwaffe mit Originalmunition besitzt, diese aber nur einmal während seiner ganzen brutalen Mordserie verwendet, sollten wir dann davon ausgehen, dass wir es mit einem Killer mit politischen Motiven zu tun haben?«
    Langsam begann Olivia zu verstehen, weswegen Boesherz sie zu Madame Tussaud’s geführt hatte.
    » Eher nicht«, überlegte sie verhalten. » Diese Waffe wäre ja aus seiner Sicht ein klares Statement, auf das er nicht verzichten würde.«
    » Fünfzig Euro und ein großer Applaus für Frau Holzmann«, entgegnete Boesherz und stellte sofort die nächste Frage: » Wie weit haben die deutschen Geheimdienste die rechte Szene unterwandert?«
    Olivia runzelte die Stirn.
    » Hoffentlich gut«, gab sie dann zur Antwort. » Zumindest so gut, dass es durchsickern würde, wenn Jack in der Szene aktiv wäre.«
    Boesherz stimmte dem zu.
    » Das sollten wir bei aller Skepsis schon annehmen. Hundert Euro! Jetzt werden die Fragen schwerer, also weiter: Die bisherigen Opfer waren ein in Berlin lebender Franzose, die anderen allesamt Deutsche. Gemischte soziale Schichten, kein Opfer war nennenswert politisch engagiert, keiner war Jude, Moslem oder homosexuell. Wie weit steht die Opferauswahl Jacks demnach den Ideologien rechter Idioten nahe?«
    Olivias unsicherer Blick

Weitere Kostenlose Bücher