Bis unter die Haut
springt auf, als Guy sich der Theke nähert.
»Hey«, sagt Guy und lächelt sie an. »Ich recherchiere oben gerade ein paar Sachen und dachte wir könnten später, wenn du Pause hast …«
»Sie hat jetzt Pause«, fällt Carlos ihm ins Wort.
»Aber ich bin doch gerade erst gekommen!«, protestiert Willow.
»Ich hab heute das Sagen hier«, grinst Carlos. »Außerdem ist es im Moment ziemlich ruhig. Na los, geh schon. Wir sehen uns in einer halben Stunde wieder.«
»Okay, danke«, sagt Willow zögernd. Natürlich freut sie sich, so unerwartet eine Pause zu haben, aber gleichzeitig ist sie verlegen. Sie nimmt ihr Namensschildchen ab, steckt es in die Tasche und hält dann kurz inne.
Sonst lässt sie ihre Tasche immer hier, wenn sie Pause macht, und nimmt nur das Portemonnaie mit.
Aber sie muss an die Ausgabe von Der Sturm denken, die in ihrem Rucksack liegt.
Sie hat zwar noch nicht entschieden, was sie damit macht, aber sie kann ihre Tasche ja trotzdem mal mitnehmen.
»Bis gleich«, verabschiedet sie sich von Carlos, als sie sich den Rucksack über die Schulter schwingt.
»Das war total nett von ihm«, meint Guy, als sie die Treppe hinuntergehen und das Gebäude verlassen.
»Stimmt.« Willow nickt. Sie bildet sich ein, dass das Gewicht des Buches ihren sowieso schon vollgepackten Rucksack noch mehr nach unten zieht. Dabei wiegt es kaum etwas.
»Was hältst du davon, wenn wir in das Café gehen, von dem ich dir neulich erzählt hab.« Er lächelt sie fragend an.
»Das, wo es deiner Meinung nach den besten Cappuccino gibt? Klar.« Sie zögert. »Was hast du denn recherchiert?«
Es interessiert sie wirklich, aber es gibt noch ungefähr eine Million andere Sachen, die sie ihn viel lieber fragen würde – zum Beispiel, warum er seine Pause mit ihr verbringen möchte.
Weil er das Gefühl hat, sie im Augen behalten zu müssen, um sicherzugehen, dass sie sich an ihren Teil der Abmachung hält?
Oder weil er Lust hat, Zeit mit mir zu verbringen?
Vielleicht sollte sie ihm das Buch doch schenken.
»Ach, ich musste für eine Vorlesung noch ein paar Sachen nachschlagen. Vorsicht!« Er zieht sie auf den Gehweg zurück, als wie aus dem Nichts ein Fahrradkurier vorbeischießt.
»Danke.« Sie stößt erschrocken die Luft aus. Aber nicht so sehr wegen des Beinahezusammenstoßes, sondern weil sie sich überdeutlich seiner Hand bewusst ist, die er schützend auf ihren Arm gelegt hat und erst jetzt wieder fallen lässt. Dabei müsste sie doch an seine Berührungen gewöhnt sein. Schließlich hat er ihr bereits einen Verband angelegt, sie die Treppe hochgezogen, ihre Hand gehalten …
»Hier ist es.« Guy hält ihr die Tür auf.
Willow setzt sich ihm gegenüber an eines der grünen Bistrotischchen, nimmt die Karte in die Hand, legt sie dann wieder hin und fängt an, an ihrem Daumennagel zu knabbern.
Sehr appetitlich.
Verlegen lässt sie die Hand wieder sinken und fummelt stattdessen am Serviettenspender herum.
»Hey, alles in Ordnung?«
»Klar, ich bin nur ein bisschen …«
Nervös.
Aber warum eigentlich? Schließlich weiß er doch über sie Bescheid, sie hat nichts von ihm zu befürchten.
Warum ist sie dann so zappelig?
Sie denkt an den Nachmittag neulich im Park zurück, als sie ihn dazu überredet hat zu bleiben. Sie hätte ihn gehen lassen sollen. Sie hätte ihn niemals so nahe an sich heranlassen dürfen.
Und jetzt hat sie ihm auch noch ein Geschenk gekauft! Sobald sie wieder in der Bibliothek zurück ist, schmeißt sie das Buch weg. Und dann …
»Weißt du schon, was du willst?«, fragt Guy.
»Bitte?« Willow hat noch nicht einmal gemerkt, dass ein Kellner an ihren Tisch getreten ist. Sie schaut in die Karte, hält sie aber falsch herum.
»Kein Problem, ich regle das.« Er zwinkert ihr lächelnd zu. »Also, zwei geeiste Cappuccino und … hm … worauf könntest du Lust haben? Okay, Moment mal … also für sie ein Stück Erdbeerkuchen.« Er sieht sie fragend an. »Gut?«
»Total.« Sie nickt. »Aber ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt so viel Zeit hab … Ich muss ja schon in …«
»Ich weiß, aber irgendetwas sagt mir, dass Carlos ein Auge zudrücken wird, wenn du ein bisschen später kommst.« Guy sieht wieder den Kellner an. »Okay, also zwei geeiste Cappuccino, ein Stück Erdbeerkuchen und ein …«
»Warte.« Sie dreht die Karte richtig herum. »Ähm, für ihn bitte ein Mokka-Éclair.«
»Genau, was ich haben wollte.« Guy klappt die Karte zu und sieht dann wieder sie an. »Ich hab mich
Weitere Kostenlose Bücher