Bis zum bitteren Ende
und mit roter Schminke war jeweils ein Karo über die Augen und ein Lächeln über den Mund gezeichnet. Wie bei einem Hofnarr.
Unter der Schminke schien sein Gesicht wettergegerbt und ziemlich attraktiv zu sein. Abgesehen von der Andeutung einer winzigen Narbe neben dem linken Ohr war es makellos. Er trug engsitzende schwarze Jeans, die mindestens zehn Jahre aus der Mode waren, ein Maria-Mercurial-T-Shirt und eine schwarze Lederjacke, die mit einer ganze Reihe von Anstecknadeln gespickt war. Trotz der Hitze draußen schien er nicht zu schwitzen.
Er lächelte Nadja an, als sie den Raum betrat. »Miss Daviar, es ist sehr freundlich von Ihnen, uns zu empfangen. Ich bin Harlekin, und das ist Aina.«
Nadja erwiderte sein Lächeln und wandte sich dann an Aina. »Ich freue mich, daß Sie gekommen sind. Ich will schon seit einiger Zeit mit Ihnen über Ihren Eintritt in die Draco Foundation reden.«
»Reden können Sie darüber«, sagte Aina. »Und vielleicht höre ich sogar zu. Aber wie all die anderen Grabräuber sind wir nur gekommen, um unseren Anteil am Drachenhort zu kassieren.« Sie stieß ein sarkastisches Lachen aus. »Ich bin wegen meiner Hoffnung hier.«
Nadja erbebte innerlich ein wenig angesichts des Tonfalls der Frau, obwohl sie es zu verbergen versuchte. Einer der Einträge in Dunkelzahns Letztem Willen bezog sich auf Aina. Der alte Wurm hatte seiner Sorge über das große Leid Ausdruck verliehen, das Aina gequält hatte, und er hatte ihr das Wertvollste hinterlassen, was er anzubieten hatte - Hoffnung.
Indem Aina sich der Draco Foundation anschloß, würde sie wieder Hoffnung bekommen, wenn sie vom Ausmaß seiner weitreichenden Pläne erfuhr - zumindest war dies Dunkelzahns Absicht gewesen. Nadja hatte das Gefühl, daß Aina sie ebensosehr brauchte wie umgekehrt Nadja sie. Aber die blasierte Haltung der schwarzen Elfe bezüglich Dunkelzahns Angebot war nicht gerade ermutigend.
»Und ich werde mein Bestes tun, um dafür zu sorgen, daß Sie Ihre Hoffnung bekommen«, sagte Nadja vollkommen ernst. »Es war Dunkelzahns Wunsch, daß Sie die inneren Mechanismen der Draco Foundation kennenlernen und daß Sie bei der Ausarbeitung der langfristigen Pläne helfen, die er skizziert hat.«
Der Elf namens Harlekin kicherte. »Ganz dein Stil«, sagte er zu Aina. »Hinter einem großen Konzernschreibtisch sitzen und Papierkram erledigen.«
Das Motto des Tages schien Sarkasmus zu sein.
Nadja ignorierte Harlekin. »Ich würde das gern vertiefen, wenn es Ihnen recht ist«, sagte sie zu Aina, »aber ich fürchte, das muß unter vier Augen geschehen.«
»Sie können Caimbeul - ich meine Harlekin - vertrauen.«
»Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ich fürchte, das kann ich nicht. Dunkelzahn hat ausdrücklich Sie und Sie ganz allein genannt. Vielleicht entschuldigt uns Mister Harlekin ein paar Stunden.«
Harlekin lachte wieder. »Jedenfalls haben sie cojones«, sagte er zu Nadja. »Ich verstehe langsam, warum Dunkelzahn Sie ausgewählt hat.«
Nadja wandte sich an ihn. »Ich fürchte zwar, daß ich Ihnen keine persönliche Überprüfung gestatten kann, aber ich versichere Ihnen, daß ich keine cojones habe. Ich bin ganz und gar weiblich.«
Harlekin warf den Kopf in den Nacken und lachte aufrichtig und tief. Sogar Aina lächelte. Dennoch machte Harlekin keinerlei Anstalten zu gehen. Nachdem sein Gelächter abgeebbt war, musterte er Nadja durchdringend. »Eigentlich bin ich ebenfalls gekommen, um etwas aus dem Drachenhort für mich zu beanspruchen.«
Nadja richtete seine volle Aufmerksamkeit auf ihn. »Ich kann mich an keine Erwähnung eines Harlekins in Dunkelzahns Papieren erinnern.«
»Er hat mich auch nur selten so angeredet«, sagte Harlekin. »Er hatte viele andere Namen für mich, von denen die meisten in feiner Gesellschaft unaussprechlich sind.«
Aina stieß ein rauhes Lachen aus. »Als könnte man diese hier als fein bezeichnen.«
Harlekin ignorierte sie und fuhr fort. »Im vorletzten Absatz von Dunkelzahns öffentlichem Testament wird dem Letzten Ritter der Weinenden Zinne das Schwert Excalibur und die Rüstung von König Richard Löwenherz vermacht.« Er lächelte verlegen und selbstgefällig zugleich. »Das bin ich.«
Nadja runzelte innerlich die Stirn. Ich habe mich in meiner Einschätzung ernsthaft getäuscht. Sie hatte den Fehler gemacht anzunehmen, dieser aufgeblasene, angemalte Elf sei nur ein aufdringlicher Freund oder Lakai Ainas.
Solche Fehler kann ich mir nicht erlauben, dachte sie.
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