Bis zum bitteren Tod (German Edition)
drei-sechs-null, geradewegs nach Norden.
Sonar aktivieren.
Der Navigationsoffizier rief nun die GPS-Positionsdaten aus, das tat er auf den nächsten drei Meilen. Es war mittlerweile fast dunkel geworden, und nachdem die Sonne hinter der langen, flachen Küste des Charles County versank, gab Commander Wallace im dämmrigen Licht dem Rudergänger den Befehl, Kurs zu halten, die Maschinen allerdings rückwärts laufen zu lassen. Für die Lastkähne galt das Gleiche. Die feste Stimme des Steuermanns war zu hören.
38 Punkt 60 Nord, 27 Punkt 23 West.
»Danke, Tommy«, sagte Commander Wallace ruhig. »Alle Maschinen halt. Längsschiffs Anker setzen. Tauchteam Eins zum Einsatz vorbereiten. Markierungsbojen überprüfen, Treibanker mitnehmen und Zodiacs zu Wasser lassen. Einsatzteams zum Auslaufen vorbereiten.«
Plötzlich war aus der Grabber ein Kriegsschiff der US-Navy geworden, auf dem alle Rädchen ineinandergriffen. Natürlich gab es mitten auf dem Potomac, einige Meilen südlich von Washington D. C., keinen Feind. Aber es hatte ihn gegeben, und im Augenblick war kaum zu entscheiden, ob die Gefechtsstationen im Ernstfall oder zu Friedenszeiten besetzt wurden. Keiner stand still. Oder schlief. Oder nippte an seinem Kaffee.
Die Schreie und Befehle der Petty Officer, Chief Petty Officer und Lieutenants hallten durch den Dämmerschein der einbrechenden Dunkelheit. Taue wurden festgemacht, Ankerketten ächzten, schweres Metall traf auf das 20 Meter tiefer liegende Flussbett, Unterwasserscheinwerfer wurden getestet, Atemgeräte überprüft, Taue, Leinen und Markierungsbojen vorbereitet. Steuerbords, vier Meilen weiter auf dem Indian Head, spähten die starken Nachtsichtgeräte der Wachen des Navy-Center durch die schnell aufziehende Finsternis. Sie waren bis zum Ende des Einsatzes die Wachhunde.
Zwei Patrouillenboote lagen mit laufenden Motoren an der Landungsbrücke vertäut. Beim geringsten Hinweis auf einen Eindringling hätten sie sich, schwerst bewaffnet, mit Höchstgeschwindigkeit zur Grabber auf den Weg gemacht. Das kleine Einsatzgebiet in der Mitte des Potomac River war in dieser Nacht nicht der Ort, wo man sich aufhalten sollte.
Commander Wallace und seine Männer standen unter direktem Befehl des Pentagon. Ziel ihrer Mission war es, vor dem Morgengrauen die Überreste von TBA 62 zu lokalisieren und durch Bojen zu markieren. Alles andere gehörte dann zur Phase zwei des Einsatzes.
Sie hatten die letzten bekannten GPS-Daten der Maschine, bevor sie von den Radargeräten verschwand. Allerdings war nicht klar, ob die Daten die Position angaben, als die 737 von den Raketen getroffen wurde, oder die, als die Maschine auf dem Wasser aufschlug.
Die Fluglotsen in Herndon vertraten die Meinung, ihre Radargeräte hätten sie so lange erfasst, bis sie unter die Wasseroberfläche tauchte. Man wusste, dass die Raketen die Triebwerke getroffen und die Tragflächen abgetrennt hatten, allgemein ging man aber davon aus, dass der Rumpf intakt geblieben war, bis er auf dem Potomac auftraf.
Commander Wallace hatte daher seine Flottille exakt auf die letzte bekannte Position von Flug 62 postiert. Seiner Meinung nach befand sich das Wrack unmittelbar unter seinen Schiffen. Sollten die Taucher nichts finden, würde das bedeuten, dass die Maschine etwa 20 Sekunden vor dem Aufprall auf dem Wasser von den Schirmen verschwunden war, 20 Sekunden bei 370 Stundenkilometern ergaben etwa 2000 Meter.
Die Grabber befand sich damit also am hintersten Ende der möglichen Aufschlagstelle. Sollten die Taucher hier nichts finden, musste der Rumpf irgendwo auf den nächsten 2000 Metern auf dem Flussgrund liegen.
Der Commander verließ die Brücke und ging aufs Unterdeck, wo der Chief Petty Officer (CPO) der SEALs Coulson und Leading Petty Officer (LPO) Flamini sich für den Ausstieg vorbereiteten. Seeleute kontrollierten ein letztes Mal die Ausrüstung. Zur ersten Suche würden zwei Navy-Taucher mit den SEALs nach unten gehen.
Die Lichter der patrouillierenden Zodiacs warfen einen hellen Schein über die Wasseroberfläche, die Tiefe allerdings war undurchdringlich schwarz. Mit einem Blick der Bewunderung sah Commander Wallace zu den vier schwarz gekleideten Gestalten, die sich rückwärts ins Wasser rollten und verschwanden.
Die Leitstelle der Kampfschwimmer nahm sofort Kontakt mit den SEALs unter Wasser auf, die sich mit ihren normalen Tauchbrettern über den Flussgrund bewegten, den Blick auf die grellen GPS-Daten vor sich gerichtet, die
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