Bis zum bitteren Tod (German Edition)
eine letzte Frage. »Müssen Sie dazu im Hotel wohnen?«
»Oh, nein. Ich wohne bei meiner Tante. Ich hab einen kleinen Wagen.«
»Gut«, sagte Jim, überrascht, dass sie mit keinem Wort ihren Lohn angesprochen hatte. »Ich zahl Ihnen 400 Dollar die Woche. Davon ziehe ich noch die Steuern ab, dafür dürfen Sie das gesamte Trinkgeld behalten. Wann wollen Sie loslegen?«
»Wie wär’s mit morgen?«
»Wunderbar. Ich brauch Ihre Sozialversicherungskarte, Ihren Pass und Empfehlungsschreiben, falls Sie welche haben. Falls nicht, geben Sie mir ein paar Telefonnummern, wo ich anrufen kann.«
Shakira sagte ihm, das sei alles kein Problem, und ging zu ihrem Wagen, um die Dokumente zu holen. Fausi schlief nach der langen Fahrt von New York. Sie entnahm ihrer Tasche die Sozialversicherungskarte, ihren Pass und die Empfehlungsschreiben, allesamt vom gleichen Mann wunderbar gefälscht, der in den Tiefen der syrischen Botschaft am Londoner Belgrave Square auch schon bei ihrem Pass so hervorragende Arbeit geleistet hatte.
Sie wählte die beiden, die ihre Fertigkeiten hinter der Theke lobten. Daneben hatte sie Empfehlungsschreiben für die Arbeit als Haushälterin in einem Landhotel, als Zimmermädchen, als Bedienung, sowie drei weitere für Sekretariatsarbeiten; alles Tätigkeiten, die sie noch nie in ihrem Leben ausgeübt hatte.
Eines der beiden Schreiben, die sie Jim Caborn vorlegte, stammte von der Mighty Quinn Bar in der Neal Street, Covent Garden. Unter dem Briefkopf wurde dem Leser versichert, dass Miss Martin genau, ehrlich, fleißig und immer pünktlich sei. Das andere stammte vom Hotel Rembrandt am Buckingham Gate, wo Miss Martin die Bar im Erdgeschoss geführt habe, und bestätigte ebenfalls ihre Zuverlässigkeit.
Für Jim war das alles mehr als ausreichend. Er machte sich sorgfältig Notizen auf einer blauen Karteikarte und reichte Shakira dann alles zurück. »Dann sehen wir uns morgen«, sagte er. »Sie können in der Schicht von vier bis elf arbeiten. Da lernen Sie am meisten.«
Shakira dankte ihm. Sie gaben sich die Hand. Bewundernd sah er ihr nach, als sie hinausging. Er war zufrieden mit seiner Neueinstellung, woher sollte er auch ahnen, dass er soeben die gefährlichste Frau in den USA angeheuert hatte.
Shakira sah sich draußen um. Das Estuary Hotel, ein weißer Steinbau mit aufgesetzten Balken, stand an der Main Street, und zwar dort, wo sie am Ufer des Rappahannock rechts abbog. Vom obersten Stockwerk des Hotels aus musste man einen wunderbaren Blick auf den breiten Fluss haben – ebenso wie vom Parkplatz des gegenüberliegenden Supermarkts.
Brockhurst war eine alte Stadt, die ihren ursprünglichen Charakter bewahrt hatte. Es gab zwar zahlreiche Neubauten, doch sie sahen alle aus, als wären sie Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet worden. Die Kleinstadt zog während der warmen Monate immer Gäste an. Und die einzige Unterkunft am Ort war das Estuary, das im Hauptgebäude zwölf Zimmer mit Bad und in einem Anbau ein Dutzend weitere anbieten konnte.
Shakira ging zur Rückseite des Hotels. Dort gab es einen Parkplatz, groß genug für die Laster der Lieferanten. An dieser Seite führte eine schmale, verlassene Straße am Hotel vorbei. Sie sah zwei kleine Läden, einer verkaufte Haushaltswaren, der andere Kinderkleidung.
Sie kehrte zum Wagen zurück und weckte Fausi, der noch immer schlief. »Los«, sagte sie. »Ich bin angestellt, aber ich wohne nicht hier. Morgen Nachmittag fang ich an.«
»Wunderbar«, erwiderte Fausi. »Dann bring ich dich jetzt zu deinem neuen Zuhause.« Er wendete den Wagen, fuhr die Route 17 nach Norden, an einigen Ausfahrten vorbei, bis er in einen von Bäumen gesäumten Weg einbog, der zu einem neuen, von Wald umgebenen Apartmentblock führte.
Das Schild am Eingang verkündete CHESAPEAKE HEIGHTS, was umso interessanter war, als die Gegend hier zur Halbinsel Virginia gehörte und, eingezwängt zwischen den Flüssen York und Rappahannock, vollkommen flach war.
Es war mittlerweile 18.30 Uhr, die Dämmerung setzte ein. Shakira unterzeichnete den Mietvertrag, überreichte den Scheck für die Miete und bezog ihre Wohnung im obersten Stock. Fausi fuhr los, um Lebensmittel zu besorgen, nichts Besonderes: Brot, Milch, Butter, Konserven, Aufschnitt, Eier, Obstsaft, Reis, einige Gewürze, Käse, Gebäck, Äpfel, Trauben, Pfirsiche und Kaffee. Er brachte alles in einigen großen Tüten.
»Brauchst du mich heute noch?«, fragte er eingedenk seines 24-Stunden-Dienstes als Shakiras
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