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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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weiß, und doch spürte ich, wie mir die Kinnlade runterfiel.
    »Aber Dr. Korthner …«
    »Ja, ich habe den ersten Bericht des Pathologen erhalten. Dimitrij Jalnikow ist demnach gestolpert oder hat sich nach etwas gebückt, oder aber er lag auf der Straße und war im Begriff, sich aufzurichten. Was auch immer, nichts davon gab Ihnen das Recht, ihn einfach über den Haufen zu fahren. Ihre Blutprobe ist überraschend sauber, Kryszinski, trotzdem waren Sie laut Gutachten viel zu schnell unterwegs, und ich möchte, dass Sie sich jetzt Ihrer Verantwortung stellen und die paar Monate Fahrverbot hinnehmen, ohne uns hier weitere Scherereien zu machen!«
    »Man hat mich als Mordwerkzeug missbraucht, Menden. Das kann und werde ich nicht auf mir sitzen lassen.«
    »Okay. Hufschmidt? Sie bearbeiten diesen Fall ab sofort gemäß der Aussage des Tatverdächtigen Kryszinski als Untersuchung aufgrund des Verdachts eines Tötungsdelikts. Ich kläre alles Nötige mit der Staatsanwaltschaft.«
    Hufschmidt nickte grimmig.
    »Äh, Moment mal«, warf ich ein. »Hab ich richtig gehört? Er soll das untersuchen? Und ich bin Tatverdächtiger?«
    Hufschmidt drehte sich zu mir. »Du hast ihn umgebracht«, knurrte er. »Wie viel verdächtiger hättest du’s denn gerne?«
     
    Autohändler Vonscheidt hatte mich also tatsächlich angeschissen und seine kleine Asphaltblase als geklaut gemeldet. Na, mir war’s egal. Die Bullen waren jetzt auf der Suche nach einem schwarzen Smart. Und nicht nach einem in einer Farbe, die ich nicht anders beschreiben kann als »verrührtes Eitergrün«, geparkt zwischen lauter ganz genauso lackierten Warzen der City-Rent-Autovermietung.
    Die »bunten« Karosserieteile am Smart sind so konstruiert, dass man sie ohne großen Aufwand tauschen kann. Der Gedanke dahinter war gewesen, den supertrendigen Leuten, die diese Autos kaufen sollten, Gelegenheit zu geben, ganz spontan mal die Wagenfarbe zu wechseln. In Wahrheit macht das kein Mensch. Bis auf mich, letzte Nacht, assistiert von Leonid, auf dem Hof der Daimler-Chrysler-Niederlassung.
    Ich musste jetzt nur noch rasch die Autoschlüssel aus meiner Wohnung holen, dann konnte es losgehen.
    Kommissar Hufschmidt würde keine Hundertschaft bekommen und hatte deshalb, gehörig genadelt von mir und begierig darauf, mich scheitern zu sehen, tatsächlich die Adresse der Wohnwagensiedlung in Walsum herausgerückt. Er lernt es nie.
    Nun, ich war entschlossen, dem Kommissar mal anhand der Ergebnisse zu demonstrieren, wie man so eine Befragung durchführt.
     
    Die Eingangshalle zu dem vierundzwanzigstöckigen sozialen Brennpunkt, den ich und weitere 150 Mietparteien unser Heim nennen, ist so ungemütlich, dass selbst die hirntoten Klebstoffschnüffler lieber im Keller abhängen, als sich hier in der Zugluft womöglich einen Schnupfen zu holen. Für gewöhnlich steht hier immer nur ein Kinderwagen oder ein Kofferkuli oder ein Discounter-Einkaufswagen mit jeweils einem fehlenden Rad herum. Sie wechseln ständig, doch das eine fehlende Rad ist allen gemein.
    Heute kamen noch drei Typen hinzu.
    Ein einseitiges Wiedersehen, kann man sagen. Ich erkannte sie, aber sie kannten mich nicht, was eben der Unterschied ist zwischen Beobachter und Beobachteten. Es waren drei von »Vonscheidts kleinen Scheißern«, und sie waren der lebende, wenn auch ernüchternde Beweis dafür, dass aus kleinen Scheißern doch irgendwann meist große Arschlöcher werden.
    Vor allem der, den sie damals schon Pummel genannt hatten, war zu imposanter Masse angewachsen. Er brauchte sie, seine Baggies. Ronnie hatte einen ordentlichen Schuss in die Höhe gemacht und es zu einer fantastischen Anzahl roter Pusteln gebracht, die er unter der Kapuze seines Hoodie zu verstecken hoffte. Nur Piepe, immer schon der Schmächtigste der BMX-Rad fahrenden Kiddie-Gang, schien seither in erster Linie an seinem Ausdruck von Verschlagenheit gearbeitet zu haben.
    Sie wollten mies aussehen, was ihnen auch ganz prächtig gelang, und ich unterschätzte ihre Gefährlichkeit keine Sekunde lang. Na, die körperliche.
    Sie sahen mich, sie sahen sich an, sie nickten – alle drei – und kamen direkt auf mich zu. Einen Weg an ihnen vorbei gab es nicht, also blieb ich stehen und blickte ihnen fragend entgegen.
    »Äh, bist du Kirsinski?«, wollte Piepe wissen. Ich seufzte. Kann man sich noch dämlicher anstellen?
    »Wie war der Name noch mal?« Ich hatte mich für den höflichen Approach entschieden. Ist aller Erfahrung nach bei drei

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