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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Raumes, zu niemandem im Besonderen.
    Menden blickte aus dem Fenster, als beobachtete er ein in dieser Schönheit nie gesehenes Himmelsphänomen, und Hufschmidt verschluckte sich und musste kurz zum Waschbecken, ein wenig Kaffee abhusten.
    Polizisten und Humor. Eine Tragödie der Unvereinbarkeit, die selbst das Palästina-Problem in den Schatten stellt.
    »Da fällt mir ein, wo habt ihr ihn eigentlich, meinen Wagen?«
    »Haben wir einem holländischen Schrotthändler mitgegeben. Mit der Bitte um augenblickliche Entsorgung.«
    »Habt ihr nicht!«
    »Ihr Fahrzeug steht bei der Autoverwertung Broich.«
    Menden übernahm wieder und machte klar, dass der ach so heitere Teil damit vorbei war.
    »Zur Sache: Der Lada, auf den Sie uns hingewiesen haben, ist vermutlich schon vor längerer Zeit in Litauen gestohlen worden.« Er löste sich vom Fenster und begann wieder hin und her zu staksen. Manche Leute macht das nervös, doch ich bin dran gewöhnt.
    »Ach«, sagte ich.
    Andere scheint es zu hypnotisieren, doch dagegen bin ich resistent.
    »Im Fahrzeug haben wir einen Reisepass gefunden, ausgestellt auf einen gewissen Dimitrij Jalnikow.«
    Schwierig, selbst für mich, wird es erst, wenn er mitten im Raum stehen bleibt und schweigt. Und schweigt. Das kann er wie kein Zweiter. Doch davon waren wir hier noch weit entfernt.
    »Ach«, sagte ich.
    »Dem Foto und allen anderen Anzeichen nach handelt es sich dabei um die Person, die Sie überfahren haben.«
    »Ach«, sagte ich.
    »Der Pass war mit einem Kurzzeitvisum versehen, das jedoch schon seit mittlerweile vierzehn Tagen abgelaufen ist.«
    Ich machte den Mund auf, doch Menden kam mir zuvor. »Und wenn Sie noch einmal ›Ach‹ sagen, vergesse ich mich.«
    Ach, dachte ich.
    »Das erfüllt technisch den Tatbestand der illegalen Einreise. Und da wir vom Gesetzgeber dazu verpflichtet sind, solche Hinweise zu verfolgen, versuchen wir jetzt schon den zweiten Tag, etwas über das Motiv für den Verbleib in Deutschland und auch über den letzten Aufenthaltsort des Toten herauszufinden.«
    »Schön«, fand ich, »aber warum erzählen Sie mir das?«
    Menden starrte mich einen Moment lang an, als wüsste er es selbst nicht so recht.
    »Damit Sie als Bürger dieser Stadt nicht das Gefühl bekommen, in diesem Fall keine Gleichbehandlung zu erfahren, Kryszinski«, sagte er langsam und betont. »Da sich bisher keinerlei Hinweise auf anderweitige kriminelle Verstrickungen des Toten ergeben haben, hat Hufschmidt sich mit dem Dezernat für Schwarzarbeit kurzgeschlossen und ist ersten Hinweisen auf eine Wohnwagensiedlung vermutlich illegal Beschäftigter in Duisburg-Walsum nachgegangen.«
    »Ach … du je«, sagte ich. »Was wolltest du denn da?«
    »Fragen stellen. Was denn sonst?«
    »Antworten bekommen«, sagte ich und schüttelte leicht den Kopf. Hufschmidt und Illegalen Fragen stellen, das war lächerlich.
    »Lass mich raten«, sagte ich zu ihm. »Du bist vorne rein und die zu Befragenden sind alle hinten raus. Richtig?«
    Hufschmidt ist allen Ernstes überzeugt, nur weil er keine Uniform trägt, würde ihn niemand als Polizisten erkennen. Das zeigt den schmalen Grat zwischen Komik und Tragik und erinnert in puncto Naivität an Kinder, die glauben, wenn sie die Augen schließen, würden sie unsichtbar.
    Hufschmidt ist, geht, spricht, schwitzt, atmet BULLE. Er tritt auf, er blickt drein, er kleidet sich, er denkt und betrachtet die Welt wie ein Bulle.
    Seine Fähigkeit zur Verstellung ist begrenzt wie die eines Daily-Soap-Darstellers, seine Verhörtechnik so subtil wie Türen mit dem Stiefel zu öffnen.
    Er kauft seine Klamotten, vom braunen Lederblouson über die – immer neuen, ich weiß nicht, wie er das macht – Jeans mit Bügelfalte bis runter zu den dick besohlten, ordentlich geputzten Lederschuhen in robuster Qualität, immer da, wo alle anderen Bullen auch ihre Klamotten kaufen, er lässt sich die Haare von einem auf Bullen-Haarschnitte spezialisierten Friseur schneiden, und wenn er rausgeht, dann mit anderen Bullen in Bullen-Lokale.
    Dazu kommt, dass er im Dienst grundsätzlich bewaffnet herumläuft. Er hat zwei Schulterholster – eins für seine Dienstpistole, eins für zusätzliche Munition, es ist einfach peinlich. Ich meine, dies hier ist Mülheim an der Ruhr, nicht Bogota. Hier wird nicht geschossen. Und wenn es doch mal danach aussieht, als ob es nötig werden könnte, lässt man ein SEK einfliegen. Aber Hufschmidt braucht diese Aufmachung. Macht seine Haltung gerader oder so

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