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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Zigarettenspitze, seidenem Kopftuch und einer Sonnenbrille mit Gläsern im Bierdeckelformat. Kevin wählte ein Designer-Feinripp-Unterhemd über knappen schwarzen Hosen mit Trägern, die allerdings seitlich baumeln gelassen wurden. Dazu geschnürte Faustkämpfer-Stiefel und aus welchen Gründen auch immer sowohl Knie- als auch Ellbogenschützer, wie Skater sie tragen. Ich denke, es war eine Frage der Message. Ich mag’s ruppig oder etwas ähnlich Subtiles.
    »Können wir?«, fragte ich, schon längst am fransigen Rand von Nerven und Geduld, doch noch waren die Handtäschchen nicht präpariert, ich Dummerchen.
    Ich senkte den Kopf in stummer Resignation, und die Stirnlocke fiel mir übers Auge.
     
    Die einsetzende Nacht war brütend, der Verkehr konfus, die Fahrer ziellos und gereizt. Kaum eine Ampel, an der man nicht von der Seite angemacht wurde, doch ich war nicht zu provozieren, thronte buchstäblich über dem ganzen Geschmeiß, besorgt, bedrückt, unerreichbar selbst für das Geschnatter meiner beiden Beifahrerinnen.
    Ich hatte ein schwieriges Telefonat mit Hufschmidt hinter mir, an dessen Ende ich den Kommissar ein weiteres Mal hinhalten musste, was ihm überhaupt nicht schmeckte.
    Seither verfolgte ich sämtliche Nachrichten im Radio.
    Denn was Hufschmidt mir in aller Vertraulichkeit mitgeteilt hatte, speiste gleichzeitig meine letzte Hoffnung wie meine schlimmsten Befürchtungen.
    Obendrein hatte ich nicht mal ansatzweise einen über das schlichte Hineinkommen in den Narziss-Club hinausgehenden Plan, und all das wühlte in Verbindung mit Übelkeit und einem seit der letzten Attacke nicht mehr nachlassenden Schmerz in meiner Mitte herum wie ein Aal in einem Kadaver.
     
    Die Security ließ keine Autos auf das Grundstück. Wer vorfuhr, tat das draußen vor der Mauer, von wo auch der rote Teppich hochführte zum feierlich angestrahlten Gebäude im Stil eines, tja, Südstaaten-Sklavenhalter-Landsitzes. Kurz, es gab ’ne Menge weiße Säulen mit Bodenflutern auszuleuchten.
    Ein uniformierter Einparker bot seine Dienste an, doch ich winkte ab, ließ Tina und Kevin aussteigen und parkte den Hummer dann ein paar Straßen weiter. Anschließend wählte ich einen deutlich dezenter ausgeleuchteten Weg hoch zum Clubhaus.
    Kameras, unterstützt von Hell’s Angels in schwarzen Anzügen, bewachten jeden Winkel. Man durfte sich beschützt oder belauert fühlen, je nach Intention.
    Tina und Kevin erwarteten mich vor dem Eingang, Wangen glühend vom Défilée über den roten Teppich.
    »Ganz schön was los«, beobachtete ich. »Für einen Donnerstag.«
    »Donnerstag ist der Tag, Hase«, musste ich mich belehren lassen. »Donnerstag läuten wir das Wochenende ein. Bevor Freitag das halbe Sauerland hier einfällt.«
    Am Eingang musste ich dann ins Licht, damit der angestellte Fotograf seiner Arbeit nachgehen konnte. Alle Neuankömmlinge wurden abgelichtet, die meisten in Pose, und man konnte sich die Bilder anschließend für ein paar Euro aufs Handy laden, ausdrucken, per Mail oder als Hochglanzabzüge nach Hause schicken lassen.
    Niemand schien sich Gedanken zu machen, wofür die Fotos noch genutzt werden könnten. Niemand bis auf mich, der, eingerahmt von meinen zähnefletschenden Begleiterinnen, bescheiden lächelnd das Haupt neigte und damit das Gesicht so gut es ging hinter der neuen Schmachtlocke verbarg.
     
    Das mit dem Rosé-Champagner war keine leere Drohung gewesen, wie schon beim Betreten der großen, stuckornamentierten Eingangshalle klar wurde. Erst diskret abgeklopft und auf Metall gescannt, dann mit einem hochstieligen Gläschen voll blassrosa Brause für diese etwas lästige Prozedur entschädigt, wurde uns ein denkwürdiger Abend gewünscht.
    Tina und Kevin waren sichtlich willens, einen draus zu machen, ich sowieso, wenn auch auf eine etwas weniger exaltierte Weise.
    Nach einem Schluck kippte ich die rosa Miege in den nächsten Blumenkübel, grübelte darüber nach, wie ich mich am besten und unauffälligsten umsehen sollte, da hakte sich Tina bei mir unter und kündigte mit großer Geste an, mir alles zu zeigen.
    Nach einer Runde durch die Eingangshalle, die hauptsächlich dazu diente, eventuellen Interessenten Tinas Hüftschwung vorzuführen, waren wir etwa fünfzig Schritte weit einen zunehmend schummriger werdenden Gang hinunter, als jemand durch eine Tür schlüpfte und ein Hauch, ein Dunst, ein Aroma meine Nüstern blähte und mir den Kopf herumriss.
    Diesen Geruch gibt es nur einmal auf der Welt.

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