Bis zum letzten Atemzug
Waschmaschinenfabrik hatte geholfen, ihr Lehramtsstudium zu bezahlen und für sie beide ein hervorragendes Renten- und Versicherungspaket zu schnüren.
Er hatte recht.
Aus irgendeinem Grund, den sie sich nicht erklären konnte, war sie nicht besonders gut darin, mit den emotionalen Momenten, die einem das Leben so reichte, umzugehen. Oder vielleicht konnte sie zu gut damit umgehen. Cal war derjenige, der bei den Geburten ihrer Kinder geweint hatte, auf deren Hochzeiten, als Georgianas erste Schwangerschaft mit einer Fehlgeburt endete. Es war nicht so, dass Mrs Oliver gar nicht weinte. Das tat sie schon. Aber nur allein, zurückgezogen ins Badezimmer bei voll aufgedrehtem Wasserhahn und laufendem Deckenventilator.
Sie schaute zu P. J. Thwaite hinüber, der den Fremden immer noch unverwandt anschaute. Der Mann schien die Anzahl der Menschen im Klassenzimmer zu zählen oder nach jemandem Bestimmtes Ausschau zu halten. Vielleicht ist er wegen einer meiner Schüler hier, fragte sie sich. Der einzige Familienstreit, von dem sie wusste, war die Scheidung von Natalie Craggs Eltern. Sie hatte Mr Cragg seit Jahren nicht gesehen und wusste nicht, ob sie ihn wiedererkennen würde. Mrs Oliver schaute zu Natalie Cragg, die leise weinend den Blick auf die Tischplatte gesenkt hielt. Als Mrs Oliver wieder zu P. J. schaute, hatte er seinen Blick nicht für eine Sekunde vom ernsten Gesicht des Mannes genommen.
»P. J.« Sie versuchte flüsternd, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Er fuhr einfach fort, den Mann anzustarren. Nicht seine Waffe oder den Rucksack, den er mit Gott weiß was gefüllt hatte. Nein, P. J. prägte sich sein Gesicht genau ein, und das machte Mrs Oliver mehr Angst als alles andere. Früher oder später würde dem Fremden P. J.s Interesse an ihm auffallen, und sie fürchtete, dass er dann im Gegenzug seine Aufmerksamkeit auf P. J. richten würde. »P. J.«, sagte sie etwas lauter, und P. J. wandte sich widerstrebend von dem Mann ab. Seine dichten schwarzen Haare, immer noch zerzaust von der Wollmütze, die er auf dem Schulweg getragen hatte, fielen ihm in die Augen. Er sah seine Lehrerin verwirrt an. P. J. hatte ihr einmal erzählt, dass er sich von niemandem außer seiner Mutter die Haare schneiden ließ und sie so lange wachsen lassen würde, bis sie käme, um ihn abzuholen.
»P. J., starr ihn nicht so an«, flüsterte sie eindringlich.
»Was haben Sie zu ihm gesagt? Was erzählen Sie ihm da?«, wollte der Mann wissen und richtete den Lauf seiner Pistole auf Mrs Oliver.
»Ich habe ihm gesagt, dass er keine Angst haben muss«, log Mrs Oliver.
»Ich habe keine Angst«, warf P. J. ein.
Der Mann senkte seinen Blick auf P. J., und Mrs Oliver zitterte. Das ist ein kalter, gemeiner Mann mit toten Augen, dachte sie. Er würde jeden Einzelnen von ihnen ohne mit der Wimper zu zucken töten.
»Warum hast du keine Angst?«, fragte der Mann P. J.
P. J. biss sich zögernd auf die Unterlippe, bevor er antwortete. »Weil Sie gesagt haben, dass Sie uns nichts tun. Zumindest nicht, wenn wir machen, was Sie sagen.«
»Kluges Kind«, erwiderte der Fremde mit einem bitteren Lächeln.
MEG
Ich versichere Dorothy, dass wir der Möglichkeit nachgehen werden, dass Blake der Eindringling sein könnte, und schicke sie mit der Anordnung nach Hause, mich sofort anzurufen, sobald sie etwas von ihrem Sohn hört. Ich bin frustriert. Wir haben nicht genügend Personal, um allen Hinweisen nachzugehen, die sich uns präsentieren, und das Wetter wird mit jeder Minute schlechter.
Mein Handy vibriert erneut. Eine weitere SMS von Stuart. Ich lese diesen neuesten Text zuerst.
Komm schon, Meg. Um der alten Zeiten willen. Nur ein winziger Kommentar?
Ich schüttle den Kopf und klappe das Handy zu, ohne die erste Nachricht zu lesen. Ich weiß bereits, was darin steht. Stuart würde alles tun, um Insiderinformationen für eine Story zu bekommen, selbst wenn er dafür jemanden erpressen müsste, und der Vorfall in der Schule könnte die größte Geschichte seiner Karriere werden. Bis zum Merritt-Fall waren Stuarts Reportagen über den Krieg in Afghanistan die Pfauenfeder an seinem Hut. Sie hatten ihm sogar den Pritchard-Say-Preis für investigativen Journalismus eingebracht. Dann kam die Merritt-Story, die, abgesehen von der Tatsache, dass er noch verheiratet war, der letzte Nagel in dem Sarg unserer Beziehung wurde. Jetzt ist Stuart zurück. Er kann dem Geruch einer großen Story nicht widerstehen. Ich sehe förmlich vor mir, wie
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