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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
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Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus verbringen und konnte nach einigen Röntgenuntersuchungen und Aufnahmen im Computertomografen wieder nach Hause. Es wäre nur eine leichte Gehirnerschütterung, sagte der Arzt.
    Mein Dad hielt sein Versprechen. Zwanzig Minuten, nachdem meine Mutter mit P. J. aus dem Krankenhaus zurück war, hatte er seine Sachen gepackt und war fort. Sie stritten nie wieder. Zumindest nicht vor uns.
    Im Laufe der Jahre war es so weit gekommen, dass meine Mom und sogar mein Dad darüber lachen konnten, wie ich versucht hatte, P. J. zu entführen und ihn dabei aus Versehen auf den Kopf habe fallen lassen. Sogar P. J. lächelte dann und schüttelte den Kopf, als könnte er sich an den Vorfall erinnern. Ich hingegen weiß nur, dass ich beinahe meinen Bruder umgebracht hätte und dabei die Ehe meiner Eltern zerstört habe.
    »Was ist ein vorderer Gehirnlappen?«, fragte P. J. Er saß an Grandpas Schulter gelehnt auf der Couch und flüsterte, um ihn nicht aufzuwecken. Verräter, dachte ich.
    »Das ist der Teil, auf den ich dich habe fallen lassen«, erwiderte ich ernst. »Die sogenannte Serienkiller-Stelle.«
    »Halt den Mund«, sagte P. J., doch ich hörte die Besorgnis in seiner Stimme.
    »Ich meine ja nur …« Ich zuckte mit den Schultern und stand auf. »Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss mir einen Hammer suchen, den ich unter meinem Kopfkissen verstecken kann, um mich im Zweifel zu verteidigen. Gute Nacht, Dahmer junior.«
    Es war gemein, das wusste ich. P. J. könnte niemals jemandem wehtun, und vielleicht sitzt er jetzt gerade in diesem Klassenzimmer und glaubt, dass er mit dem beschädigten Gehirn eines Serienmörders sterben wird. Ich will ihn da herausholen und ihm sagen, dass er ein ganz normales, gesundes Gehirn hat, dass Wissenschaftler es niemals sezieren und ihrer Serienmördersammlung zuführen werden.
    Oben auf der Treppe angekommen halte ich Beth auf, indem ich an ihrer Hand ziehe. »Hör mal«, flüstere ich. »Was ist das?« Wir beide erstarren und lauschen auf das Geräusch, das leise Klatschen von Schritten, die hinter uns die Treppe heraufkommen. Ich kann nur an die Blutlache denken, in der ich ausgerutscht bin und die mir Visionen von einem mit einer Pistole oder einem Messer bewaffneten Mann beschert hat, der hinter uns her ist. »Lauf«, rufe ich lauter als beabsichtigt, und Beth zieht mich den Flur hinunter. Ich schaue über meine Schulter und sehe eine kleine Gestalt am Ende der Treppe. »Warte.« Ich bleibe abrupt stehen und lasse Beths Hand los. Vorsichtig gehe ich in dem dunklen Flur auf die Silhouette zu. Ein kleines Mädchen. Fünf, vielleicht sechs Jahre alt. Ihre langen blonden Haare werden mit zwei gelben Spangen zurückgehalten. Sie trägt schwarz-gelb gestreifte Leggins und ein Sweatshirt, auf dem Das war mein Bruder steht. »Geht es dir gut?«, frage ich. Sie nickt, sieht aber aus, als stünde sie kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ich schaue Hilfe suchend über meine Schulter zu Beth, aber sie ist verschwunden. »Wo ist dein Lehrer?«, frage ich.
    »Ich war auf der Toilette, und als ich wieder in die Klasse zurückgehen wollte, war die Tür verschlossen.« Die Tränen laufen ihr über die Wangen, und sie fängt laut an zu weinen.
    »Pst«, sage ich. »Hast du sonst niemanden gesehen?«
    Sie schüttele den Kopf und schnieft. »Alle Türen sind verschlossen.«
    Ich bin nicht sicher, was ich tun soll. Ich kann sie hier nicht alleine lassen, aber ich kann sie auch nicht mit mir nehmen. Ich denke an die Tür am Fuß der Treppe, die zum Parkplatz führt. Draußen wäre das Mädchen wesentlich sicherer als hier drinnen. Ich überlege, sie allein die Treppe hinunterzuschicken; es sind nur wenige Schritte. Aber dann fällt mir die Blutlache ein, und ich kann mir grob vorstellen, was die Kleine tun würde, wenn sie dort hineinträte. Damit hätte ich erfolgreich einem weiteren Kind einen Schreck fürs Leben eingejagt, und ich bin erst dreizehn.
    »Komm, ich bringe dich hier raus.« Sie schaut mich an, als würde sie mir nicht glauben. »Wie heißt du?«, frage ich.
    »Faith.« Sie rümpft die Nase, als sie das Blut auf meinen Händen und meiner Kleidung sieht.
    »Das ist nichts«, sage ich, als wäre es nicht der Rede wert. Dabei könnte ich mich jetzt gut übergeben und will nichts mehr, als das Blut abzuwaschen. »Ich bin Augie«, sage ich. Ich denke darüber nach, den gleichen Weg zurückzugehen, den wir gekommen sind: die Treppe hinunter und durch die

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