Bis zum letzten Atemzug
links nach rechts, um den Gedanken abzuschütteln. Es kam ihr zu grausam vor, zu früh. »Nun, Evelyn«, schalt Mrs Ford sie sanft. »Es ist offensichtlich, dass Cal Oliver ganz verrückt nach dir ist. Du bist jung und hast noch dein ganzes Leben vor dir.«
»Aber ich liebe George noch immer«, sagte Evelyn mit verletzlich klingender Stimme.
»Natürlich tust du das.« Mrs Ford legte ihrer Schwiegertochter einen Arm um die Schultern. »Und das wird auch immer so bleiben. Das ist ja das Wundervolle am menschlichen Herzen, es hat ausreichend Platz für alle möglichen Arten der Liebe.«
Evelyn konnte nichts sagen, konnte nicht erklären, wie sie sich einerseits George noch so verbunden fühlte, andererseits aber jedes Mal von einem elektrischen Funken durchzuckt wurde, sobald sie Cal sah.
»Versprich mir eines, Evelyn«, bat Mrs Ford sie sanft. Evelyn nickte schniefend. »Bitte erzähl dem Baby von George. Erzähle ihm … oder ihr«, fügte sie hinzu, »dass sein Vater ein süßer Junge war, der Zahlen und Coca-Cola liebte. Dass er klug war und ein bisschen verrückt. Dass er an einem fernen Ort gestorben ist, weil es genau das Richtige war.« Evelyn spürte, wie ihre Kopfhaut von Mrs Fords Tränen ganz nass wurde, und umklammerte die Hand der älteren Frau noch fester.
»Das werde ich ihm erzählen«, erwiderte Evelyn, weil sie sich ganz sicher war, dass sie einen Jungen in sich trug. »Ich werde es ihm erzählen, genauso wie du.«
Evelyn und Cal heirateten ein paar Wochen, nachdem Georgiana Elizabeth Ford das Licht der Welt erblickt hatte. Sie war überrascht gewesen, als der Arzt ihr mitteilte, sie habe ein gesundes Mädchen zur Welt gebracht, doch das Gefühl wurde schnell von einer tief empfundenen Dankbarkeit abgelöst. Erstaunlich, dass dieses kleine rosagesichtige Wesen auf die Welt kam, kaum ein Jahr, nachdem ihr Vater dieselbe verlassen hatte. »Was für ein Geschenk«, sagte Evelyn sich immer wieder. Und als ob er ihre Gedanken lesen könnte, schaute Cal sie beide an und blickte dann in den Himmel. »Ich werde auf sie aufpassen«, flüsterte er. »Das verspreche ich.«
MEG
»Verdammt, Meg«, wütete der Chief am Telefon. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«
Ich weiß, dass ich schnell sprechen und mich kurzfassen muss. »Ich hatte Grund zu der Annahme, dass Ray Cragg der Eindringling in der Schule sein könnte. Ich bin der Sache nachgegangen und habe ihn mit einem Loch im Kopf in seiner Scheune gefunden.« Ich streichle Twinkies Flanke, während ich auf Chief McKinneys Reaktion warte.
»Also ist Ray Cragg tatsächlich tot?«, fragt der Chief etwas sanfter.
»Ja. Offensichtlich Selbstmord. Rays Vater Theodore ist von seinem Sohn verletzt worden. Ein Krankenwagen hat ihn gerade abgeholt.« Twinkie schaut mich aus traurigen braunen Augen an. Ray Cragg hatte alles verloren – seine Frau, seine Kinder, sein Leben –, aber sein Hund liebt ihn immer noch.
Chief McKinney seufzt. »Dieser Tag wird von Sekunde zu Sekunde besser. Ist der Deputy Sheriff gekommen, um dich abzulösen?«
»Ja, er ist da. Er hat gesagt, du willst, dass ich umgehend zur Schule zurückkehre?«
»Ja, komm so schnell du kannst hierher. Aber fahr vorsichtig«.
Ich zögere einen Moment, bevor ich weiterspreche. »Chief, hast du über Funk irgendetwas von meinem Exmann gehört?«
Schweigen. Kein gutes Zeichen. »Wir reden darüber, wenn du wieder hier bist«, sagt er schließlich.
»Chief, du glaubst doch nicht ernsthaft …«
»Komm einfach wieder zur Schule zurück, Meg«, sagt er erschöpft.
WILL
Will versuchte, draußen an dem Unfallwagen zu bleiben, falls der darin eingeklemmte Mann wach würde, aber die Kälte trieb ihn in seinen Truck zurück. Er schickte Daniel seiner Wege, damit er rechtzeitig beim Tierarzt eintraf, bevor das Kalb hier zur Welt kam. Im großen Weltenplan waren das Leben einer Kuh und eines Kalbes allerdings nicht viel wert, nicht im Vergleich zum Leben seiner Enkelkinder und seiner Schwiegertochter.
Will beschloss, sich kurz bei Marlys zu melden. Er hatte versprochen, sie jede Stunde anzurufen und auf dem Laufenden zu halten, aber durch den Vorfall auf der Cragg-Farm war er nun zu spät dran.
»Irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte Marlys anstelle einer Begrüßung.
»Nicht von der Schule, nein«, erwiderte Will und stellte das Gebläse in seinem Truck runter, um seine Frau besser verstehen zu können.
»Aber …«, setzte Marlys an.
»Ray Cragg hat Selbstmord begangen.«
»Nein!«, rief Marlys
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