Bis Zum Letzten Tropfen
die negativen Schwingungen gelegt haben.
Er rückt sich seine John-Lennon-Brille zurecht.
– Phil hier zum Beispiel. Ja, Joe, er ist eine lästige Kakerlake von Renfield, und er würde seine, keine Ahnung, Seele, Mutter, alles Mögliche für ein paar Dollar oder eine Handvoll Speed verkaufen, aber mit der Sache hier hat er nichts zu tun.
Er kämmt sich sein Unterlippenbärtchen mit dem Nagel des Zeigefingers.
– Um die Wahrheit zu sagen, diesmal warst du nicht das Opfer eines, na ja, Verrats oder Hinterhalts. Wenn man genauer drüber nachdenkt, wurdest du Opfer deiner Natur. Sozusagen.
Er legt eine Hand auf den Oberschenkel seiner tausendmal geflickten Hanfjeans.
– Worauf ich hinauswill, ist Folgendes: Du warst viele Jahre lang Mitglied unserer Vereinigung. Und ich habe dich in den Jahren unserer Zusammenarbeit, und ja, unserer Freundschaft, nie an der kurzen Leine gehalten. Die Leine war sogar ziemlich lang. Und das alles im Namen der Verbindung, die ich zwischen uns gespürt habe.
Er deutet auf das Fenster. Das Fleckchen Sonnenlicht ist größer geworden.
– Weißt du übrigens, dass sie das CBGB zugemacht haben? Anscheinend hat sich der Pächter ganz plötzlich mit dem Besitzer überworfen. Und dieser Besitzer ist ausgerechnet eine Hilfsorganisation für Obdachlose. Da gab’s nichts zu rütteln. Ist das nicht ironisch? Ausgerechnet eine Obdachlosenhilfe hat den Pächter vor die Tür gesetzt.
Für einen Moment wirkt er richtig verloren.
– Die Bowery ohne das CBGB. Was soll das werden? Ich will nicht übertreiben, aber das ist das Ende einer Ära.
Er blickt mich an.
– Das war ein entscheidender Moment in unserer Beziehung, nicht wahr? Die Ramones. Mann, das war ein tolles Konzert. Eins ihrer besten. Es war ein fantastischer Abend. Bis ich aufs Klo gegangen bin und dich blutend auf dem Boden gefunden habe. Weißt du, bis vor kurzem hatte ich wirklich gehofft, den Kerl eines Tages aufzuspüren, der dir das angetan hat. Um ihm zu danken. Ich hoffe, du verstehst das jetzt nicht falsch.
Er breitet die Finger beider Hände über der Brust aus und senkt den Kopf.
– Ich weiß, das klingt komisch. Aber so ist es.
Er hebt den Kopf wieder.
– Ich möchte dem Kerl nicht dafür danken, dass er dir Schmerzen zugefügt, dich infiziert und zu diesem Leben mit allen seinen, na ja, Konsequenzen verdammt hat.
Er nimmt die Hände von seinem East-Village-Biosupermarkt-T-Shirt.
– Ich möchte dem Kerl dafür danken, dass sich auf diese Weise unsere Wege gekreuzt haben. Er hat damit diese Energie heraufbeschworen, die mich ahnen ließ, dass ich so jemanden wie dich gut gebrauchen konnte. Mann, du musst zugeben, dass wir über die Jahre so einiges auf die Beine gestellt haben. Es ist nicht immer alles glatt gelaufen, da bin ich der Erste, der das zugibt. Aber wir haben gemeinsam eine Menge bewerkstelligt.
Er deutet wieder auf das Fenster.
– Daher war ich lange Zeit der Meinung, dass dieser Kerl meinen Dank verdient hätte.
Er berührt wieder seinen Oberschenkel.
– Bis du Hurley in Fetzen geschossen und versucht hast, mich umzubringen.
Ich zünde die Zigarette an, mit der ich während seines Vortrags hantiert habe.
– Um die Wahrheit zu sagen, Terry, als das passiert ist, war ich nicht ganz auf der Höhe.
Ich wedle mit der Hand, die einen Rauchfaden hinter sich herzieht.
– Wäre ich nämlich auf der Höhe gewesen, wärst du jetzt tot.
Seine Augen funkeln bedrohlich.
– Nun, darüber lässt sich streiten, findest du nicht?
Ich nicke.
– Natürlich. Wenn du Hurley mal kurz vor die Tür schickst, können wir gern darüber diskutieren und die Sache gleich ein für alle Mal regeln.
Er streicht sich mit der Hand über den Kopf und den Pferdeschwanz.
– Nein, Joe. So läuft das nicht.
Er hockt sich neben mich auf Phils altersschwaches Bett.
– Was ich vorhin sagen wollte, war, dass Phil mit unserer Anwesenheit hier nichts zu tun hat. Dafür hast du schon selbst gesorgt, aber darum geht’s ja nicht. Weißt du, die Tatsache, dass du gewissermaßen aus der Todeszelle ausgebrochen bist, spricht nicht gerade für dich. Da kannst du nicht auf mildernde Umstände hoffen. Eher im Gegenteil.
Ich entdecke einen blauweißen Pappbecher auf dem Boden und schnippe Asche hinein. Nicht, dass ich Phils Zimmer nicht noch schmutziger machen will; ich versuche nur zu vermeiden, dass die Bude in Flammen aufgeht. Vorerst jedenfalls.
– Ich kann dir folgen, Terry. Tatsache ist, du wolltest mich damals von
Weitere Kostenlose Bücher