Bis Zum Letzten Tropfen
normale Mensch mit einer Pistole tun. Und nicht, indem ich in aller Welt die freudige Nachricht verbreite, dass ich einen Angriff auf das Blutreservoir der Koalition plane.
Amanda schüttelt den Kopf.
– Es ist kein Angriff . Darum geht’s nicht. Ich rede von Beobachtung. Informationsbeschaffung. Mehr nicht.
Sie tippt sich an die Stirn.
– Denk doch mal nach. Sie müssen es ja irgendwo herkriegen. Sie können es ja nicht herzaubern. Sie haben einen Lieferanten, wahrscheinlich sogar mehrere. Das ist zumindest die plausibelste Theorie. Die Koalition gibt’s doch schon ewig. Sie hat Beziehungen zu allen möglichen Leuten. Da läuft irgendeine ultrageheime Scheiße ab, die keiner so richtig blickt. Sie müssen Dutzende von Quellen haben. Krankenhäuser. Sanitäter. Blutbanken. Sie sammeln es in einem Lagerhaus oder so. Wir wissen nur, dass es aus Queens kommt.
Sie beugt sich vor.
– Wir müssen in Erfahrung bringen, wer die Lieferanten sind. Wenn wir wissen, mit wem wir reden müssen, können wir die Koalition voll überbieten. Oder sie zu einem Handel zwingen . Entweder verkauft die Koalition dann direkt an uns, oder es herrscht plötzlich Konkurrenz auf dem Markt. Mal sehen, was mit Angebot und Nachfrage passiert, wenn ich mit meinem Geld ankomme. Die Lieferanten werden uns das Zeug direkt vor die Tür bringen. Ganz einfach.
Ganz einfach.
Ich soll nach Queens fahren. Obwohl ich gerade erst hier angekommen bin, soll ich die Insel wieder verlassen, um das große Geheimnis der Koalition aufzudecken. Das größte Geheimnis überhaupt.
Soll ich das wirklich tun?
Einfach so abhauen.
Die seltsame Kraft zerrt an mir. Mit aller Macht. Sie ist ein Teil von mir, der mir erst bewusst wurde, als ich die Insel verließ.
Wie lange kann ich dagegen ankämpfen?
Himmel. Wer bin ich überhaupt?
Ich nehme die Hand des Mädchens von meinem Knie und sehe sie an.
– Das wird nicht billig.
Sie rollt mit den Augen. Damit ich kapiere, dass Geld für sie überhaupt keine Rolle spielt.
Ich nicke und stehe auf.
– Okay. Vielleicht sollten wir erst mal ein paar Leuten ein paar Fragen stellen.
Ich wende mich an Sela.
– Und sie danach umbringen.
Amanda springt vom Schreibtisch.
– Siehst du, Baby, ich hab’s dir doch gesagt. Er ist genau der richtige Mann für den Job.
Sela wendet sich ab.
Am Ende sind es dann nicht zwei, sondern drei Leute, die ich um die Ecke bringe. Amanda schlägt klugerweise vor, dass ich mich außerdem noch mit dem Spinner befasse, der ihnen letzte Nacht so viel Ärger eingebrockt hat.
Einer mehr. Klar. Warum nicht? Es zählt ja niemand mit.
Terrys Spion gibt sofort alles zu. Ich muss nicht mal damit drohen, ihm seine Original- Spider-Man -Ausgaben wegzunehmen. Es reicht, dass er zusieht, was ich mit den anderen anstelle. Dann biete ich ihm an, es kurz und schmerzlos zu machen, wenn er zugibt, dass er für Terry herumschnüffelt.
Er gibt es sofort zu.
Lügt er?
Möglich. Warum nicht? Wenn ich hätte mit ansehen müssen, was ich mit Predos Spion angestellt habe, und dann auch nur die geringste Chance hätte, diesem Schicksal zu entgehen, würde ich vermutlich selbst lügen, dass sich die Balken biegen.
Trotzdem, ich glaube nicht, dass er gelogen hat.
Oder vielleicht doch?
Dann ist das, was ich mit ihm gemacht habe, auch nicht weiter schlimm. Falls es jemanden gibt, der meine Taten beobachtet und über mich richtet, habe ich soeben eben einen weiteren Minuspunkt kassiert. Wenn sich dieser Jemand überhaupt noch die Mühe macht, meine ganzen Minuspunkte zu zählen.
Egal, ich hätte ihn so oder so nicht am Leben lassen dürfen. Nicht, nachdem er zugesehen und die Fragen gehört hat, die ich Predos Mann gestellt habe.
Was den angeht, so tut es mir leid, dass er so wenig gewusst hat. Er hat’s mir schwergemacht. Und sich selbst auch in seinen letzten Minuten.
Manchmal macht mir das richtig Angst. Niemand beobachtet mich. Niemand verurteilt mich. Niemand führt Buch über meine Taten, um am Schluss meine Seele danach zu richten.
Ich bin der einzige Zeuge meiner Verbrechen. Ich bin der Einzige, der mitzählt. Und ich kenne die Zahl.
Ich weiß, welches Schicksal mich erwartet.
Und ich versuche nicht, dagegen anzukämpfen.
Ich bringe sie um. Auf die harte Tour. Weil ich nicht daran zweifle, dass sie es verdient haben.
Aber ich hätte es noch viel mehr verdient.
Schon komisch, wie das Leben manchmal so spielt.
– Hey.
– Was?
– Ich bin’s. Joe Pitt.
Im Hintergrund höre
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