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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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die ihr damals nur praktisch vorgekommen war?
    Sie blickte zur anderen Straßenseite. Sie wusste nicht mehr genau, wo der Magnolia Palace, das Zuhause aus Kindertagen, an der Basin Street gestanden hatte. Sie nahm an, dass es im Rathausarchiv Unterlagen darüber gab, aber es war nicht mehr von Bedeutung. Zweigeschossige Backsteingebäude erstreckten sich in alle Richtungen. Vom Magnolia Palace war keine Spur mehr zu finden.
    Nur noch in ihren Erinnerungen.

19. KAPITEL
    W enn Violet stöhnte, klang sie wie ein tiefer Ton aus Manuel Perez’ Trompete. Violet war eine kleine zierliche Frau, die in kurzen gerafften Röcken, mit glänzenden Schnallenschuhen und ohne Unterwäsche durch den getäfelten Salon tänzelte. Wenn ein Mann wusste, wie er seinen Kopf neigen und blinzeln musste, wenn Violet durch den Raum schwebte, konnte er in der Spiegelung im Lackleder einen flüchtigen Blick auf das Vergnügen erhaschen, das ihn erwartete.
    Doch an diesem Morgen wurde Nicolettes Aufmerksamkeit von Violets Stöhnen gefesselt, von ihrem melodischen, tiefen Stöhnen.
    „Wie lange kann sie das durchhalten?“, flüsterte Nicolette. „Sie muss doch mal Luft holen, oder?“
    „So wie der Mann sein Ding in sie pumpt, sieht es aus, als würde er sie wie einen Ballon aufblasen. Sie wird sehr, sehr lange keine Luft mehr brauchen.“
    Nicolette legte den Kopf schräg und runzelte die Stirn. Obwohl sie noch keine sechs Jahre alt war, konnte sie schon lesen und ein bisschen rechnen. Was sie über die Wissenschaften wusste, hatte sie in der Welt um sich herum beobachtet. Und sie glaubte, dass ihre Freundin Fanny sich irrte. „Nein, schau doch hin. Sie hat geatmet. Sie hat aufgehört zu stöhnen und hat geatmet!“ Ihre Stimme wurde lauter. „Ich habe sie gehört!“
    „Schh …“
    Aber es war bereits zu spät. Nicolette spürte eine Hand in ihrem Nacken, eine Hand, die sie sonst eher selten berührte. Durch die Angst schienen ihre Sinne geschärft zu sein. Sie war sich des stechenden Geruchs des Fußbodenwachses bewusst le New Orleans, 1913
    und der modrigen gemischten Gerüche von Körperpuder, Tabak und Schweiß, die immer im Haus hingen. Sie fühlte das schmerzhafte Ziehen einer Locke, die in den Griff ihres Vaters geraten war, und den Druck seiner Finger an ihrem Hals. Als er sie von Violets Tür wegzog, konnte sie die schnellen Schritte hören, als Fanny durch den Flur davonrannte.
    „Was machst du hier?“
    Tränen schossen ihr in die Augen. Sie hatte Angst zu antworten.
    „Nicolette?“
    „Ich lausche“, wimmerte sie. „Ich habe nichts gemacht.“ „Sollst du hier sein?“
    Sie versuchte, mit dem Kopf zu schütteln, doch ihr Vater verstärkte seinen Griff noch. „Nein.“ Die Tränen rannen ihr nun über die Wangen.
    „Habe ich dir nicht verboten hierherzukommen?“ Die Locke war mit einem Mal wieder frei und fiel gegen ihren Hals, wo gerade noch seine Hand gewesen war. „Sieh mich an.“
    Langsam drehte sie sich um und sah, wie wütend er war. Sie wusste, dass Rafe Cantrelle der hübscheste Mann in ganz New Orleans war – sie hatte es gesehen und ihn mit unzähligen Männern verglichen, die die Basin Street entlangstolziert oder -getaumelt waren. Aber wenn er wütend war, machte er ihr Angst. Sie versuchte, ihn anzusehen, doch ihr Blick ging immer wieder zum Boden.
    „Ich nehme an, du wirst mir erzählen, warum du trotzdem nach oben gekommen bist?“
    Sie war zu verängstigt, um zu antworten. Unsicher strich sie mit den Zehenspitzen an der Kante des Perserteppichs entlang. Das Stöhnen in Violets Zimmer hörte auf, und im Flur war es ganz still. Sie wartete darauf, dass ihr Vater sie schlug. Gewalt war etwas, das sie kannte, auch wenn sie sie noch nie am eigenen Leib erfahren hatte. Viele Männer kamen in den e6"> Magnolia Palace, um ein lustvolles Abenteuer mit den hübschesten Frauen der ganzen Stadt zu erleben, mit einer Spur farbigen Blutes. Und manche von ihnen hielten es für besonders aufregend, wenn die Frau anschließend blaue Flecke hatte oder blutete.
    „Hat Fanny dich auf diese Idee gebracht?“, wollte er wissen.
    „Nein. Ich wollte sehen, ob Violet mir die Haare machen kann.“ Unter gesenkten Wimpern hervor warf sie ihrem Vater einen angstvollen Blick zu. „Das ist alles. Ich dachte, Violet unterhält so früh am Tag keine Gäste. Das dachte ich wirklich, Mr Rafe.“ Sie schob die Hand in die Tasche ihres Schürzenkleidchens und zog eine Leinenserviette heraus, in die calas , köstliche

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