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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Straße bewegte. Es dauerte einige kostbare Sekunden, bis ihr klar wurde, dass es sich um ein Auto mit ausgeschalteten Scheinwerfern handelte. Es dauerte weitere Sekunden, bis sie entdeckte, dass ihr Vater ihr ein Zeichen gab, ins Haus zurückzugehen.
    Gerade drehte sie sich um und wollte ins Haus flüchten, als der Motor des Wagens aufheulte. Die Scheinwerfer flammten auf und beleuchteten den Asphalt. Der Wagen raste auf sie und ihren Vater zu. Sie sah ihren Vater im Kegel der Lichter und hörte einen Schrei.
    „Das ist für dich, Cantrelle!“ Ein Schuss folgte auf diese Worte.
    Entsetzt blieb Nicolette stehen. Ihr Vater stürzte. Der Wagen wurde langsamer, als er an Rafe vorbeifuhr und ein weiterer Schuss ertönte. Dann jagte das Auto davon. In Panik rannte sie zu ihrem Vater. „Papa!“
    Er hob den Kopf. „Zurück! Lauf schnell ins Haus!“
    Sie konnte ihn unmöglich liegen lassen. Das Auto war verschwunden, und sie war sich sicher, dass ihr Vater getroffen worden war. Es gelang ihm, sich zu erheben und in Richtung Ulme zu laufen, um dort in Deckung zu gehen. Nicolette lief weiter auf ihn zu und hatte beinahe die halbe Strecke zurückgelegt.Erst jetzt bemerkte sie, dass der Wagen in einer Seitenstraße gewendet hatte und wieder auf sie zujagte.
    Sie blieb stehen. In Verwirrung und panischer Angst konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Sie stand wie angewurzelt da, während die Scheinwerfer sie in ihr grelles Licht tauchten. Sie sah ein böses Grinsen, konnte den Umriss eines Männerhuts ausmachen.
    Nicolette konnte sich nicht bewegen. Sie hatte zu große Angst, um loszurennen, war zu verwirrt, um irgendwo Schutz zu suchen. „Du auch, du kleiner Bastard!“ Eine Kugel zischte an ihr vorbei und grub sich hinter ihr in den Boden.
    „Nein!“ Rafe erreichte sie vor dem Auto, warf sich auf sie und begrub sie unter sich. Sie hörte noch mehr Schüsse, viel lauter, als sie es sich jemals ausgemalt hätte. Dann spürte sie, wie sich der Körper ihres Vaters auf einmal anspannte und kurz darauf schlaff wurde. Es gab eine laute Explosion, gefolgt von einer weiteren. Sie schrie und versuchte sich zu befreien, um ihrem Vater zu helfen. Doch er war zu schwer; sie konnte sich nicht rühren.
    „Papa!“ Sie rüttelte an seinen Schultern.
    Mit einem Mal wurde Rafe von ihr weggezerrt, und Clarence kniete neben ihr. „Bist du getroffen worden?“
    „Papa!“
    „Nickelchen, bist du getroffen worden?“ Er berührte ihr Gesicht, als würde er damit rechnen, dort Blut zu entdecken. Doch das einzige Blut an ihr war das von Rafe. Sie stieß Clarences Hände von sich und setzte sich auf. Ihr Vater lag neben ihr. Im Flackern der Flammen konnte sie erkennen, dass seine Augen geschlossen waren.
    „Sie haben das Haus angezündet“, sagte Clarence. „Und das von den Nachbarn auch. Wir müssen sofort hier weg.“
    Gehetzt sah sie sich um. Die Veranda von Clarences Haus brannte bereits. Menschen rannten auf die Straße. Schreie ertönten aus dem Apartment über dem von Clarence, als dessenBewohner zum Fenster herauskletterten.
    „Papa!“ Sie beugte sich über ihren Vater. „Papa!“
    „Er ist nicht mehr da, Nickelchen. Er ist getroffen worden. Aber er würde nicht wollen, dass du hierbleibst und mit ihm stirbst.“
    Sie wehrte Clarences Hände ab. „Nein, er ist nicht tot! Das ist er nicht!“ Sie packte ihren Vater bei den Schultern und schüttelte ihn.
    „Er ist tot!“ Clarence versuchte, sie wegzuziehen. „Jetzt komm. Wir müssen hier verschwinden.“
    „Aber er war nicht tot“, erklärte Nicky Phillip. „Noch nicht. Ich habe mich über ihn gebeugt und mein Gesicht ganz nah an seines gehalten.“
    Tränen strömten ihr über die Wangen. Für einen Moment konnte sie nicht weitersprechen. Sie spürte, wie Phillip ihre Hand nahm. Sie verschränkte ihre Finger mit seinen – genauso hatte sie es oft getan, wenn sie mit ihrem Vater spazieren gegangen war.
    „Er hat die Augen aufgemacht.“ Sie blickte ihren Sohn an. „Es schien ihn nicht zu überraschen, dass er sterben würde, Phillip. Selbst in dem Moment konnte ich das erkennen. Es war, als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass sein Leben auf diese Art enden würde. Er hat mich angesehen und gesagt …“ Sie wandte das Gesicht ab und sah aus dem Fenster. „Er sagte: ‚Du bist das Beste von uns beiden. ‘ “
    Phillip drückte ihre Hand, bis seine Mutter die Sprache wiedergefunden hatte.
    Schließlich nickte sie. „Dann ist er gestorben.“

31. KAPITEL
    A uf

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