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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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sich nicht für unsichtbar, bloß weil er in Chicago wohnt.“
    Das hoffte Nicolette ebenso. Doch als der Tag verstrich und der Abend anbrach, war Rafe noch nicht zurückgekehrt. Nicolette machte sich immer größere Sorgen.
    In dieser Nacht blieb sie bei den Slaters, obwohl dafür keine Vorkehrungen getroffen worden waren. Die Slaters besaßen kein Telefon; Rafe hätte also gar nicht anrufen können, selbst wenn es ihm möglich gewesen wäre. Nach Einbruch der Dunkelheit hörten sie Pistolenschüsse. Die Schüsse waren so nah, dass Dolly und sie sich oben unter einem Bett versteckten. Nicolette brachte Dolly das Gegrüßet seist Du, Maria bei, und sie sagten das Gebet so lange auf, bis sie erschöpft einschliefen.
    Kurz vor Sonnenaufgang kam Mr Slater nach Hause. Etta schaltete das Licht nicht ein, während er erzählte, was er erlebt hatte. Männer, hauptsächlich Schwarze, waren auf offener Straße verprügelt worden. Er hatte gehört, dass viele in dieser Gegend getötet worden waren.
    Die Slaters hatten Nicolette verboten, am Fenster nach Rafe Ausschau zu halten. Ohnehin waren sämtliche Rollos heruntergelassen worden. Sie konnte nur beten, dass er zurückkommen und sie holen würde.
    Um Clarence sorgte sie sich ebenfalls. Sie überlegte, wo er wohl gewesen sein mochte, als die Unruhen ausgebrochen waren. Er war so gern am Seeufer, weil ihn der Ort an das West End in New Orleans erinnerte. Was, wenn er dort gewesen war, als man den Jungen getötet hatte? Mittlerweile kannte man auch den Namen des Jungen. Mr Slater erzählte, der Kleine habe Eugene Williams geheißen und sei kein guter Schwimmer gewesen. Das machte alles irgendwie noch schlimmer.
    Als die Sonne aufging, war es ruhig in den Straßen. Etta spähte aus dem Fenster und berichtete, dass die Menschen sich auf den Weg zur Arbeit begeben würden. Trotz der Proteste seiner Frau machte auch Mr Slater sich fertig für die Arbeit in den Viehhöfen. Vom Obergeschoss aus beobachteten Nicolette, Etta und Dolly, wie er vorsichtig nach draußen ging. In den Straßen war es weiterhin still. Niemand sagte ein Wort zu ihm, als er in Richtung Park und zur Straßenbahnhaltestelle auf der anderen Seite lief.
    Eine halbe Stunde später kehrte Rafe zurück. Nicolette warf sich in seine Arme und schluchzte vor Erleichterung. Er gab sich gar nicht erst die Mühe, die Lage herunterzuspielen, um sie zu beruhigen. Er bedankte sich bei Etta und erzählte, dass er mit einigen anderen in der Nacht versucht habe, eine konstruktive Lösung für die Ausschreitungen auf die Beine zu stellen. Als sie erkannt hatten, dass sie nichts tun konnten, außer in Deckung zu gehen, war es bereits zu spät und zu gefährlich gewesen, um sich auf den Nachhauseweg zu machen.
    Nicolette klammerte sich an ihn. Sein Gesicht wirkte eingefallen, und er schien ganz in Gedanken versunken zu sein. Doch er war unbestreitbar am Leben. Nie war es ihr so klar gewesen wie in diesem Moment, dass sie auf dieser Welt niemanden außer ihrem Vater und Clarence hatte.
    Auf dem Heimweg hielt er ihre Hand ganz fest. Erst als sie im Haus waren, erklärte er ihr, was er vorhatte. Er setzte sie auf einem weichen Sessel ab und hockte sich vor sie, sodass sie sich auf gleicher Höhe ansehen konnten. Seine Augen funkelten und glühten wie die Kohlen, die jede Nacht in ihrem Kaminofen brannten. Er hatte weder geschlafen noch gegessen, aber in seinem wachen Blick flackerte seine Wut.
    „Es kommt mit großer Sicherheit mehr Ärger auf uns zu, Nicolette.“
    „Aber Mr Slater ist zur Arbeit gegangen.“
    „Weil er Angst hat, dass er sonst seinen Job verliert. Trotzdemwird es heute Nacht noch stärkere Unruhen geben – wenn nicht sogar früher. In dieser Gegend ist es gestern am schlimmsten gewesen. Ich bin so froh, dass du bei Etta geblieben bist. Sie ist vernünftig und behält die Ruhe. Als ich nicht nach Hause kommen konnte, wusste ich genau, dass du bei ihr in Sicherheit bist.“
    „Heute bleibst du doch zu Hause, oder?“
    Er schüttelte den Kopf. „Wir wollen den Bürgermeister dazu bringen, die Bürgerwehr einzusetzen. Je mehr von uns Geschäftsleuten ihm zusetzen, desto größer sind unsere Chancen. Ich muss alles tun, was ich kann.“
    Direkt vor sich sah sie einen Mann mit dem Gesicht ihres Vaters, der in Gedanken jedoch ganz woanders war. „Kannst du nicht hierbleiben? Ich habe Angst allein.“ Sie spürte, wie ihre Unterlippe zitterte.
    „Du wirst nicht allein sein.“ Er wickelte eine ihrer Locken um seinen

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