Bis zur letzten Luge
das Fenster auf dem Dachboden zu stellen. Ein anderer Mann regte an, eine Menschenkette zu bilden und alle aus dem Wasser zu ziehen, die vorbeigeschwemmt wurden.
Der Mann, dessen Haus eingestürzt war, machte einen Schritt nach vorn. Lucien wusste inzwischen, dass er Dupres Jambon hieß und sein Vater Octave.
Dupres legte die Hand auf Luciens Schulter. „Sie werden oben die Fensterläden öffnen und eine Laterne entzünden. Bitten Sie eine der Frauen, sich um die Lampe zu kümmern. Dann kommen Sie wieder nach unten und halten Wache. Ich werde mich darauf vorbereiten, der Erste zu sein, der nach draußen geht, wenn ich gebraucht werde.“
Das Haus ächzte, als würde jede Fuge durch das Wasser, das dagegendrängte, aufs Äußerste belastet werden. Die östliche Seite des Hauses begann bereits, nach innen zu drücken. „Glauben Sie, dass das Haus dem Druck standhält?“, fragte Lucien.
„Ich werde mit meiner Familie einen besseren Unterschlupf suchen, sobald die Flaute kommt“, entgegnete Dupres.
„Sie sollten auch gehen. Wenn der Wind sich in westliche Richtung dreht, steht dieses Haus ihm im Weg.“
Während er Dupres’ Anweisungen befolgte, dachte Lucien über seinen Rat nach. Wenn die Flaute kam und der Wind stoppte, konnte das Boot an einen sicheren Ort gerudert oder gezogen werden. Er hatte Glück, dass das Boot so klein war. Ein größeres Boot hätte man kaum lenken können.
Die Frage nach dem sicheren Ort beschäftigte ihn. Auf der Grand Isle befand sich in der Mitte eine Anhöhe. Auf dieser Erhebung standen Häuser, die von jahrhundertealten Bäumen umgeben waren, deren Wurzeln tief in die Erde reichten. Auf der Chénière konnte man nichts Vergleichbares finden. Sie würden ein Gebäude wählen müssen, das so weit wie möglich vom Strand entfernt und stabil gebaut war.
Ihm fiel wieder Raphaels Vorschlag ein, zur Kirche zu gehen. Zuerst verwarf er diese Idee wieder, weil sie von dem Jungen stammte. Aber Stolz war in dieser Situation unangebracht. Er dachte darüber nach, wie weit es zur Kirche war und wie lange es wohl dauern würde, sie zu erreichen. Das solide Gebäude war von den begabtesten Zimmerleuten auf Chénière Caminada errichtet worden, wie auch das Pfarrhaus daneben. Wenn eines der beiden Häuser noch stand, würde er dort Zuflucht finden.
Wasser drang ins Haus und strömte in Fontänen aus den Löchern, die die Männer in den Boden geschlagen hatten, um sich das Gewicht des Wassers zunutze zu machen. Mit etwas Glück stabilisierte das Wasser das Haus – zumindest eine Zeit lang. Lucien konnte fühlen, wie das kalte Nass bis zu seinen Knien stieg, doch er wandte den Blick nicht von dem Spalt in dem vernagelten Fenster. Mit wachsendem Entsetzen betrachtete er die Szenen, die sich vor seinen Augen abspielten. Einmal schrie er Dupres zu, dass jemand sich zum Haus kämpfen wollte. Aber bevor Dupres und die anderen den Mann retten konnten, war der Kampf zu Ende.
Allmählich ersetzte Panik das Entsetzen. Sollte er hier sterben? Mit ganz gewöhnlichen Fischern zusammen? Sollte er sterben, ohne betrauert zu werden, weil diejenigen, die um ihn hätten trauern können, ebenfalls tot waren? Sollte er ohne einen Sohn sterben, der seinen Namen tragen würde?
Das Wasser stieg ihm bis zur Taille und weiter bis zu seiner Brust. Als es nichts mehr zu tun gab, schlug er sich mit den anderen Männern bis zur Treppe durch. Einer der Männer kam zu nah an eines der Löcher im Boden und wäre beinahe unter das Haus gesogen worden. Lucien achtete auf jeden seiner Schritte, doch als er die Treppe erreichte, hinderte seine Angst ihn beinahe daran, hinaufzusteigen. Das Haus stöhnte und ächzte unaufhörlich, und zwischen den Brettern öffneten sich breite Spalten. Wenn der Wind noch zunahm, wenn der Sturm eine Welle schickte, die über ihnen zusammenschlug, würde das Haus zerschmettert werden und sie alle in den Tod reißen.
Oben klammerte Marcelite sich an ihn. Frauen klagten mit dem Wind; Kinder schrien und weinten. Lucien hielt Marcelite und Angelle an sich gedrückt. Selbst Raphael kam näher, um Trost und Schutz zu suchen. Der Junge bemühte sich, tapfer zu sein, aber seine Unterlippe zitterte.
„Ist Juan in Sicherheit?“, fragte er Lucien. „In seinem Boot? Wird er sicher sein?“
Lucien fand nicht die richtigen Worte, um ihm zu erklären, dass sie alle sterben würden. Eine Ewigkeit saß er schweigend da und wartete auf das Ende.
„Das Wasser steigt nicht weiter“, rief plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher