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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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immer schmerzhaft zusammengezogen hatte, konnte er nicht aufstehen. Aber er nickte Aurore zu, die in der Tür stand, und bedeutete ihr, sich auf einen der Stühle zu setzen.
    „Ich weiß, dass du es nicht gern siehst, wenn ich hierherkomme“, sagte sie, nachdem sie Platz genommen hatte.
    „Und trotzdem bist du da.“
    „Das Flussufer ist einfach zu interessant. Es zieht mich immer wieder hierher.“
    Sie erinnerte ihn in diesem Augenblick so sehr an die junge Claire Friloux, dass Lucien sich einen Moment lang fragte, ob er in eine längst vergangene Zeit versetzt worden war. Nein, die Frau, die an seinem Schreibtisch saß, war Aurore, das einzige überlebende Kind von Claire. Ihre Stimme klang wie die ihrer Mutter, doch ihr Haar war heller, ihre Augen von einem blasseren Blau. Mit achtzehn hatte Claire rosige Wangen gehabt, war kräftig gewesen und hatte ein verruchtes, ansteckendesLachen gehabt, nach dem sich die Männer verzehrt hatten. Er, der unter allen Verehrern das Rennen gemacht hatte, hatte herausgefunden, wie schnell dieses Lachen ausgelöscht werden konnte.
    Aurore trug ein maßgeschneidertes dunkles Kostüm, das ihre schlanke Figur nur noch unterstrich, und eine elfenbeinfarbene Bluse aus Spitze. Er erkannte den Hut wieder, der auf ihrem dicken Haarknoten saß. Er selbst hatte ihn ausgesucht. Die Federn eines Paradiesvogels hingen ihr kunstvoll über eine Seite des Kopfes. Eine kokette Note für eine junge Frau, die diese Leichtigkeit ansonsten vermissen ließ.
    „Es muss doch bessere Arten geben, wie du deine Zeit verbringen kannst“, sagte er.
    Sie lächelte, aber das Lächeln erreichte ihre Augen nicht und ließ ihr Gesicht nicht strahlen. „Wenn ich dir einen Erben für Gulf Coast liefern soll, sollte ich doch ab und zu vorbeikommen und sehen, was hier los ist, findest du nicht, papa?“
    „Es würde reichen, wenn dein Ehemann sich das ansieht.“ Ihr Blick blieb fest. „Und wenn es keinen Ehemann gibt?“ Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Der Morgen war für April noch angenehm kühl, doch er konnte spüren, wie der Schweiß sein Hemd durchnässte. „Red keinen Unsinn!“
    „Unsinn? Ich habe bis jetzt noch keinen Mann kennengelernt, den ich hätte heiraten wollen.“
    „Du bist genau wie alle anderen jungen Frauen heutzutage. Du erwartest Liebe und vergisst deine Pflichten. Wenn dir klar ist, was von dir erwartet wird, findest du auch ein Dutzend passender Männer.“
    „Ein Dutzend?“ Nur einen winzigen Moment lang stand ein Leuchten in ihren Augen – eine Spur versteckter Lebensfreude. „Vielleicht ist das zu hoch gegriffen, wenn ich nicht einmal einen einzigen zu finden scheine.“
    Lucien wollte, dass sie ging. Das Problem mit seiner Tochterund der Gulf Coast Dampfschifffahrtsgesellschaft beschäftigte ihn, seit der Arzt in Minnesota ihn gewarnt hatte, dass er todkrank war und ihm nicht mehr viel Zeit blieb. „Was genau willst du dir anschauen?“
    Dieses Mal blitzte mehr als nur eine Spur von Lebensfreude auf. Ihre Augen glänzten in strahlendem Blau. „Zeigst du mir das neue Dock?“
    „Ich habe keine Zeit.“ Er erhob sich. „Und ich wüsste auch nicht, warum ich das tun sollte. Aber wenn du es unbedingt sehen musst, werde ich jemanden holen, der dich begleitet.“
    Auch sie stand auf. „Ich hätte lieber, dass du es mir zeigst.“ In letzter Zeit war es schwierig geworden, sie abzuweisen – sie blieb hartnäckig. „Ich habe dir schon gesagt, dass ich zu beschäftigt bin.“
    „Papa, geht es dir gut?“
    Lucien war nicht gerade erfreut darüber, dass ihr die Veränderung an ihm aufgefallen war. „Natürlich.“
    „Du kommst mir neuerdings nur so müde vor. Und ich denke, du hast Angst, dass der Spaziergang zum Dock dich erschöpfen könnte.“
    „Das ist albern! Kein Wort über so etwas zu niemandem! Es gibt viele Leute, die sich aufregen würden, wenn sie der Meinung wären, dass meine Gesundheit angeschlagen wäre.“
    Sie wich nicht zurück. „Warum?“
    „Weil ich gerade erst sehr viel Geld in den Bau der Dowager und des neuen Docks investiert habe. Ich habe ihn bauen lassen, nicht die Hafenbehörde. Ich habe in unsere Zukunft investiert, indem ich den Hafen verbessert habe, wie es auch schon andere Reedereien gemacht haben. Und ich habe der Hafenbehörde Geld geliehen, um noch weitere Verbesserungen umzusetzen.“
    „Ich verstehe noch immer nicht.“
    „Das Geld musste ja von irgendwoher kommen.“
    „Und du hast es dir geliehen, um der

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