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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Diplomatenschule anpries, ließ sich nicht das gleiche sagen.
    »Ja, mein teurer Bismarck«, erzählte Fürst Bogislaw, »im tiefsten Vertrauen gesprochen, das Benehmen des Fürsten war sonderbar. Droben im Schlosse schüchterte er den König durch Alarmnachrichten ein, die Truppen seien zu schwach und hätten keine Munition, drunten auf dem Platze ging er unter den Bürgern umher, angeblich um ihnen gut zuzureden. Man behauptet aber, er habe dort deutsch und polnisch verschiedenes verbreitet, das Volk solle nur aushalten, der König habe den Mut verloren.«
    »Und steifte denn kein Minister Seiner Majestät das Rückgrat? Nicht Bodelschwingh?«
    »Daß ich nicht wüßte! Im Gegenteil gibt es da eine Version ... darüber kann Sie vielleicht Prittwitz aufklären ... Und General Gerlach kann Ihnen sagen, daß Seine Majestät gar nicht den Abmarsch der Truppen befahlen, was ja auch ganz widersinnig wäre.«
    »Was!« fuhr Bismarck auf. »Welcher Verräter –«
    »Pst, ein trauriges Mißverständnis. Ich weiß nur, daß die nächste militärische Umgebung sofort den König aufsuchte, der zufällig, einem natürlichen Bedürfnis zu genügen, abwesend war. Als er zurückkam, fragte man, ob Allerhöchstderselbe den Abmarsch befohlen habe. Er verneinte bestürzt und rief, als man ihm vom Fenster aus den ganzen Schloßplatz voll Zivilisten und in der Ferne die abziehenden Truppenkolonnen zeigte: ›Das kann nicht sein!‹ Nun, man wird ja später Näheres erfahren. Ich bringe jetzt Ihren Brief hinüber, warten Sie hier.«
    Der Fürst kam nach einer Weile wieder, tiefernst. »Seine Majestät wollen Ihnen nicht antworten, sagten auch nichts über den Inhalt Ihres Schreibens, haben aber den Zettel sorgfältig eingesteckt, als wolle er ihn als Andenken bewahren. Dies erste Zeichen aus dem Lande draußen, daß er nicht verlassen sei, tat ihm sicher wohl.« –
    Durch Zeitungsblätter aus Berlin, nach Potsdam durchgeschmuggelt, durch Augenzeugen, zwischen der Hauptstadt und dem Heerlager hin und her pendelnd, machte Otto sich ein vollständiges Bild der Ereignisse. Jetzt beim Besichtigen der Innenstadt gingen ihm Einzelheiten durch den Kopf. Leutnant Prinz Hohenlohe versicherte, der eigentliche Berliner Bürger habe sich gar nicht beteiligt. Er sei mit verwundeten Kameraden mitten durch eine Barrikadenbesatzung geritten, die vor dem herrischen Zuruf »Platz da!« bereitwillig auseinanderstob. Der Untertänigkeitstrieb wurzele noch tief im Volke.
    An Stelle von Savigny war ein gewisser Dr. jur. Bornemann zum Justizminister ernannt, Camphausen als Präsident der Handelskammer sollte nach Erlaß vom 20. als Minister eintreten. Die Berliner schwebten aber in Unruhe wegen etwaigem neuen Vorrücken der Truppen auf die Stadt. Dies sei unbegründet, verbürgten sich Graf Schwerin, Flügeladjutant v. Below u. a. durch Maueranschlag. Die Bürgerwehr schickte Patrouillen zum Kreuzberg und gen Schöneberg, stellte Unrichtigkeit des Gerüchts fest. Man verhaftete Alarmisten auf der Friedrichstraße. Gleichwohl bemächtigte sich solche Aufregung der Gemüter, daß eine an der Ecke der Besselstraße errichtete Barrikade viel Nachahmung fand. Die Schutzwache des Anhalter-Tor-Bezirks forderte alle guten Bürger auf, den Behörden jene Aufwiegler zu überliefern, »die das Vertrauen zwischen Regierung und Volk stören wollen«. Wie ehrlich dies Vertrauen, bestätigte die Genugtuung der Haude- und Spenerschen Zeitung über die Besetzung des Prinz-Wilhelm-Palaisals Volkseigentum. »Nur dies, wir sagen es offen, konnte Befriedigung und Besänftigung herbeiführen.« Aber wer nun zufrieden zur Ruhe ging oder sich in öffentlichen Lokalen belehrte und belebte, den trieb alsbald ein Lärmruf auf die Straße, Prinz Wilhelm sei im Anzug auf Berlin. Der böse Hannibal vor den Toren! »Das Schönhauser Tor ist erstürmt!« verbreitete sich schon am Halleschen, am Schönhauser wußte man, die Truppen drängen durchs Hallesche ein, der Prinz sei mit Geschütz auf der Frankfurter Chaussee angelangt. »Heraus, zu den Waffen!« Die Patrouille des Handwerkervereins, zuerst auf dem Platze, kreuzte sich mit anderen bewaffneten Abteilungen, binnen einer halben Stunde wuchsen erneut Barrikaden aus dem Boden, an vielen Punkten stärker als in der Schreckensnacht des Kampfes. Zureden und Beschwichtigen half nichts. Durch Stadt und Vorstädte wälzte sich ein brausendes Menschenmeer, hunderttausend Kehlen schrien auf einmal, überall ein Schlagen von Hacken, Picken,

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