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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Hämmern, Äxten. Doch weder Schüsse noch Trommelwirbel ließen sich hören, Torwachen mit der Kunde, alles sei ruhig, brachten endlich die Haufen auseinander.
    Am Morgen räumte man die Barrikaden weg. Erst am vorigen Abend zog die reitende und Fußartillerie der Garde trübsinnig ab, bei der ein Hauptmann Reibnitz sich durch Verteidigung von Monbijou besonders ausgezeichnet hatte. Man erbat Schutz von der Bürgerwehr beim Abzug, was Stadtverordnetenvizevorsteher Seidel gnädig zugestand. Noch heute brüteten erhitzte Köpfe Unsinn aus. »Die Russen rücken auf Berlin an.« Pathetisch trösteten Straßenredner: »Von den Sklaven des Moskowiter Barbaren fürchtet nichts ein freies, wehrhaftes Volk, geführt vom freien, echtdeutschen, ritterlichen König.« Den Spott darüber brüllten biedere Bürgersleute nieder, die ihren geliebten Monarchen nicht mit dem grausamen Prinzen Wilhelm verwechseln ließen. Traten nicht gestern Majestät in Begleitung von Prinz Albrecht auf den Schloßplatz, redeten leutseligst Umstehende an, reichte ihnen allergnädigst die Hand, sprach dero volle Zufriedenheit zu den »Erfolgen« aus? Vieltausendstimmiges Hoch antwortete.
    Welche »Erfolge« er meinte, blieb ungewiß wer mochte darüber nachsinnen! »Solange sich Majestät der Bürgerwehr anvertraut, hat das Volk nichts zu fürchten«, klang zweideutig, man konnte übersetzen: solange wir ihn als Pfand im Gewahrsam halten, kann uns nichts geschehen. Nicht ohne Tücke warf sich die Presse in die Brust, der Bürger treue Gesinnung habe sich gerade in der Alarmnacht bewährt; denn wenn ihr guter Glaube an den König wankend würde, wie leicht hätte man sich dann an ihm vergriffen! Doch ihm sei kein Haar gekrümmt worden!
    Nun herrschte ungetrübter Frohsinn, alle Häuser und Paläste mußten beleuchten zur Illumination. Über dem Palais Prinz Wilhelms erschien die Transparentinschrift: »Das Eigentum der Nation ist dem Schutze der Bürger anvertraut.« Die Kasernenerklärte man ebenso großartig als Nationaleigentum. Die Gymnasiasten der oberen Klassen zogen in Wehr und Waffen auf die Straße. Wunderschön ... zum Weinen vor Rührung oder zu Lachtränen. Die Leichenwagen der Gefallenen stattete man »zweckmäßig« mit revolutionärem Schmucke aus, alle Stadtbeamten traten an, sich dem Zuge anschließend. Trauerflore um den Hut, schwarze Schleifen um den Arm bezeugten bei Leidtragenden, daß sie angeblich jemand im Kampfe verloren. Gebrüder Oppenheim, Stralauer Straße 14, gaben diese düsteren Merkzeichen sogar gratis ab, diese uneigennützigen Patrioten, statt sie im Ramschausverkauf an den Mann zu bringen mit 50 Prozent Rabatt. Welche Opferwilligkeit! Die »Gemeinnützige Baugesellschaft«, Chausseestraße 74, lud alle Arbeitslosen zu sich, da ihr das gütige Ministerium reiche Baubeschäftigung übertrug. (Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt.) Die Arbeiter brummten: »Det is janz scheene, aber man bloß de Frühstücksstulle, wir lassen nich locker, bis wir ooch Eisbein mit Sauerkohl uf unsere alten Tage haben.« Andere meinten, arbeiten sei vorerst eines befreiten und freien Mannes unwürdig, jeder müsse von der Revolution vollständig ernährt werden »für so ville Verdienst um det fette Bürgerpack, denn wir haben die Sache befummelt«. Edel ist der Mensch, hilfreich und gut ... solange die zahlungsfähige Moral nicht Zahlungen leisten muß.
    Der 21. März ward immer denkwürdiger. Um 9 Uhr vormittags lief eine Proklamation um: »An die deutsche Nation! Eine neue glorreiche Geschichte hebt mit dem heutigen Tage an. Ihr seid fortan eine einige, große Nation, stark, frei, mächtig. Preußens Friedrich Wilhelm stellt sich im Vertrauen auf euren heldenmütigen Beistand und eure geistige Wiedergeburt an die Spitze des Gesamtvaterlandes. Ihr werdet ihn mit den altehrwürdigen Farben deutscher Nation noch heut in eurer Mitte erblicken. Heil und Segen dem konstitutionellen Fürsten, dem König der freien, wiedergeborenen deutschen Nation!«
    Diesen lieblichen Unsinn, schon vergilbt von Wind und Wetter, las Otto noch an einigen Mauerecken. Er lachte bitter in sich hinein. Geschwindigkeit ist keine Hexerei, über Nacht Deutschland einig, stark und mächtig durch ein Stück Papier! Rosige Auferstehung durch Zugrabetragen Preußens! Stäke nur ein Quentchen Vernunft hinter dem Wortschwall! Da aber weder die guten Preußen noch die deutschen Brüder einen König der Deutschen von Berlins Gnaden wünschen, so stürzen die

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