Bismarck 01
der Revolution, die ihnen den Tod schwur! Als ob die Fürsten solcher Zukunftsmusik trauen würden, angestimmt von einem gefangenen König, der sein Sprüchlein hersagt, wie seine Wärter es vorleiern.
Der Rummel ging los, voraus zwei Generale mit Schwarzrotgold, dahinter die Revolutionsminister, gefolgt von zwei Bürgerschützen zu Fuß neben dem Stadtverordneten Gleich, der ein dreifarbiges Banner schwenkte. (Gleich und gleich gesellt sich gern, passender Name für wüste Gleichmacherei.) Jetzt der König mit Prinzen und Generalen. An der Schloßfreiheit vorbei zur »Königswache«, wo die Bürgerwehr salutierte. Der Monarch hielt sein Roß an und sprach die geflügelten, unglaublichen Worte: »Ich kann nicht genugsam in Worte kleiden, was ich euch danke, glaubt's mir!« (Otto knirschte vor Wut über so viel Torheit oder Heuchelei.) Prompt quittierte ein Bürgergardist: »Es lebe der Kaiser von Deutschland!« Doch bei diesem Punkt blieb der König unerbittlich ängstlich und wahrheitsgetreu, er rief unwillig: »Nicht doch, dies will, dies mag ich nicht!« Hierauf ging's an der Blücherstatue vorbei, der alte Marschall Vorwärts mochte sich nicht wenig wundern. Aus der Behrenstraße in die Linden zurück, am Opernplatz schloß sich der Polizeipräsident an und eröffnete nun den Zug, der vor der Universität wieder hielt. Dort bildeten bewaffnete Studenten Spalier in Reih und Glied, drei Chargierte trugen alsbald das Reichsbanner vor, der König zügelte sein Pferd unfern des Friedensdenkmals und sprach die kleinen Worte gelassen aus:
»Mein Herz schlägt hoch, daß es meine Hauptstadt, in der sich so kraftvolle Gesinnung bewährt. Der heutige Tag ist groß, unvergeßlich, entscheidend. In Ihnen, meine Herren Studierenden, steckt eine große Zukunft.« (Recht so, nur immer den Milchbärten nach dem sabbeligen Mund reden!) »Wenn Sie am Ziel Ihres Lebens auf dasselbe zurückblicken, so bleiben Sie des heutigenTages eingedenk!« (Wollen's hoffen, die einen sind dann loyale Beamte, die anderen wohlbestallte Inhaber von Kanzel oder Katheder, die dritten Rechtsverfertiger mit Klienten, die vierten Ärzte mit Patienten! All die Kulturblüten begießt das sauberste Philisterium, immer wird mit Wasser gekocht, oft mit schmutzigem.) »Die Studierenden machen den größten Eindruck auf das Volk und das Volk auf die Studierenden!« (Na ob! Zwei Begriffe ohne Inhalt ziehen vor einander den Hut.) »Ich trage Farben, die nicht mein sind, doch ich will damit nichts usurpieren, keine Krone, keine Herrschaft, ich will Deutschlands Freiheit und Ordnung, das schwöre ich zu Gott«, wobei er die Rechte gen Himmel hob. (Freiheit und Ordnung in gleichem Atem! Dunkel ist der Rede Sinn.) »Ich tat, was in deutscher Geschichte oft geschah, daß Fürsten, wenn die Ordnung niedergetreten, sich selbst an die Spitze des ganzen Volkes stellten. Ich glaube, daß der Fürsten Herzen mir entgegenschlagen und der Wille des Volkes mich unterstützen werden.« (Fürsten und Volkswille, Hund und Katze, Feuer und Wasser!) »Merken Sie sich's, schreiben Sie's auf, daß ich nichts will als deutsche Freiheit. Sagen Sie es der abwesenden studierenden Jugend, es tut mir unendlich leid, daß nicht alle da sind.« (Was sollen die Bürschchen denn sagen? Daß »unendlich« viel geschwätzt wird? – Zarte Schonung für die Kleinstaaten, als ob jemand, der uns fürchtet und haßt, an Freundschaftsbeteuerung glaubt! Solch widerspruchsvolles Zeug pflegten Cromwell und Bonaparte von sich zu geben, wenn sie ihre Absicht verhüllten und alle Dummriane einseiften. Wär' es doch hier so! Doch der arme Herr weiß selbst kaum, was er deklamiert, und läßt sich von falscher Begeisterung der Umgebung fortreißen, bis er selber an den Firlefanz glaubt. Als ihm anständige Erwählte der Nation die Kaiserkrone boten, ekelte es ihn; wenn heut unanständige Schlingel ihn auf den Schild heben, scheint er minder prüde. So sind die Menschen, Erfolg ist ihr Gott, Macht geht vor Recht.)
Und dann schlugen die Studenten stramm die Waffen aneinander, das Volk schwenkte die Hüte mit schwarzrotgoldenen Devisen und brach in Jubel aus, umdrängte den König, dessen Pferd nur mühsam vorwärts kam. Am Schloß umarmte er Prinz Albrecht tiefergriffen, Geschrei und Hüte-in-die-Höhe-werfen »verkündeten die Liebe für Freiheit und Recht, das flammende Gefühl des Dankes für die Führer zu Tagen des Ruhmes«, was natürlich kein Auge tränenleer ließ. So las man's rührend in der
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