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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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befreit.«
    *

Am folgenden Tage meldeten ihm seine Bauern in Schönhausen: »Da sind so 'ne Kerls gekommen aus Tangermünde, die sagen, wir sollen eine Fahne auf dem Turm aufziehen, schwarz-rot-gold, und wenn wir nich gehorchen tun, dann kommen sie mit ville Mannschaft.«
    »Ei so! Wollt ihr euch wehren, da die Burschen euch gar nichts zu sagen haben?« »Jawohl!« erscholl es von allen Seiten. »Dann jagt die Windbeutel aus dem Dorfe!« Dafür waren besondersdie Bäuerinnen eingenommen, für deren praktisches Verständnis die Revolution bloßen Übergriff der Städter zur Ausraubung des Landvolkes vorstellte.
    »Ist nicht in der Kirche eine Fahne mit schwarzem Kreuz? die pflanzt auf den Turm, damit man sieht: hier sind gute Preußen, schwarz-weiß, nicht schwarz-rot-gold wie bei dreckigen Ausländern. Habt ihr Gewehre und Munition?«
    »Zu Befehl. Das heißt –« Einige kratzten sich hinter den Ohren.
    »Ja, ich weiß schon, Jagdgewehre fürs Wildern. Schad't nischt, von mir aus habt ihr Absolution, wenn ihr die Waffen nur für König und Vaterland braucht. Ich selbst habe so an zwanzig Stück zu Haus, darunter zwar manche aus alten Tagen, aber Gewehr ist Gewehr. Und nun schick' ich reitende Boten nach Jerichow und Rathenow von wegen Schießpulver, denn daran hapert's.«
    Zu Hause befahl er: »Nanne, laß anspannen! Du fährst mit, wir müssen die Dörfer der Umgebung aufwiegeln, damit sie dem König zu Hilfe kommen. Nützt's nichts praktisch, so macht's doch moralischen Eindruck.« Man fand die Leute überall bereit, für die gute Schönhausener Herrschaft durchs Feuer zu gehen. Der greise Dorfschulze von Neuermark tat sich besonders hervor: »Zu Befehl, Herr Deichhauptmann. Habe bei den Rathenower Karabinier-Kürassiers gedient unter dero Herrn Vater, dem seligen Herrn Rittmeister, und war Wachtmeister. Hol' mich dieser und jener, wenn ich nich meinen Fahneneid halte und für meinen König feste druff haue mang die verflixte Demokratenbande.«
    Da kam der nächste Gutsnachbar an den Schönhauser herangesprengt und warnte: »Sie entzünden eine Brandfackel zum Bürgerkrieg und stürzen die armen Leute ins Verderben.«
    »Sympathisieren Sie mit der Berliner Bewegung?«
    »Das tu ich. Se. Majestät selber haben ja erklärt –«
    »Paperlapapp! Wollen Sie etwa meine Absicht durchkreuzen?«
    »Ich werde als Patriot die Dörfler aufklären, daß –«
    »Dann schieße ich Sie nieder.«
    »Herr v. Bismarck! Das werden Sie nicht.«
    »Sie kennen mich als ruhigen Staatsbürger, doch auf Ehrenwort – und daß ich das halte, wissen Sie! Unterlassen Sie jede Widerrede!« Er nahm sodann zärtlichen Abschied von Johanna, die ihn weinend umarmte und nicht fortlassen wollte. »Sei getrost, mir passiert nichts. Ich will nur das Terrain rekognoszieren, fahre bloß nach Potsdam, wo das Militär lagert.«
    Kaum betrat er den dortigen Bahnhof, als eine ordengeschmückte Figur sehr knickebeinig sich an ihm vorüberschleichen wollte. »Ne me parlez pas!« raunte er hastig auf die ehrerbietige Begrüßung, es war der gewesene Minister v. Bodelschwingh, den die neue Ordnung aus Amt und Würden entfernte. Bismarckraunte als Antwort: »Les paysans se lèvent chez nous.« »Pour le peuple?« »Pour le roi!« »O! Dieser Seiltänzer!« entfuhr es dem Erzürnten, den sein Monarch so schnöde fallen ließ, die Augen gingen ihm von Tränen über. Bismarck eilte in die Stadt und traf auf der Plantage vor der Garnisonkirche eine lagernde Gardeabteilung. Er redete die Gemeinen an, die eifrig versicherten: »Wir hatten das Gesindel ganz verdroschen. Warum ließ man uns retirieren?« Ein Freiwilliger trumpfte auf: »Des Königs Majestät ist von Verrätern umgeben, die ihm arglistig Lügen ins Ohr flüstern.«
    Ein Unteroffizier warf sich in die Brust: »Nur nochmals 'rin in dat gottverdammte Nest! Dat sind ja jar nich Preußen und deutsche Brüder, lauter Polen und Schelmfranzosen. Als ich dat jehört habe, wie solche Musjös mitten uf'm Lustmarkt brüllten: An avang pur la Lieber Tee, da hab' ik 'ne Lust jekriegt, die janze Bande so zu verhauen, daß nich ein Stiebelfetzen übrigbleibt!« Eine Reihe Grenadiere stimmte das pathetische gutgemeinte Lied an, mit dem ein unbekannter Poet, wohl ein freiwilliger Jäger, dem Schmerz und der Entrüstung der Truppen beim Abmarsch aus Berlin Worte lieh. Sehr naiv scholl der Hohnrefrain: »Ihr sollt nicht Preußen mehr, sollt Deutsche sein.« Schwarz-rot-gold sei eine Entweihung der schwarz-weißen Fahne.

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