Bismarck 01
Dilettanten Preußen und Deutschland gemeinsam ins Verderben. Auch ohne die plumpe Hinabzerrung der Krone durch klobige Fäuste bleibt der politische Wahnsinn unverzeihlich. Mit Narrenspossen befreien von was? Den Satan austreiben mit Beelzebub? Die bestehende Ordnung war verbesserungsbedürftig, doch sie lebte, diese neue Unordnung trägt den Keim frühen Todes auf den hektischen Wangen. Konstitutionell is jut, die wahren Draht- undKulissenschieber hier wie draußen wollen einfach die Republik. Eine deutsche Republik mit unseren Sitten und Eitelkeiten, welch unschöner Traum! Um uns statt von einem menschlich hochgesinnten und hochbegabten Hohenzollern, wie dieser arme Monarch, von einer Rotte alberner Einfaltspinsel oder boshafter Schufte regieren, d. h. terrorisieren zu lassen. Einheit! Organisationslose Uneinigkeit, schlimmer als je zuvor! Deutschland ist zurzeit nicht zu retten, so laßt uns wenigstens Preußen retten ... durch eine tüchtige Tracht Prügel.
Hinter sich hörte er ein »Volkslied« trällern, in 80 000 Exemplaren gedruckt und verteilt in die Provinzen. Die Studenten übten es ein, sie exerzierten täglich im Kastanienwäldchen vor der Universität und versandten jugendlichen Quatsch an die Kommilitonen nach Königsberg, Halle, Greifswald, Breslau, Bonn. Mit den Waffen in der Hand stürmten sie am 21. Schlag 10 Uhr in die große Aula, wo der neue Minister Graf Schwerin eine zündende Ansprache hielt. Elender Volksschmeichler! murrte Otto, der Tropf meint's gut, doch er wird Sturm ernten, wo er Wind sät. Schwerin gewann es über sich, die akademische Jugend zu feiern, »die sich so glanzvoll in den Tagen des Ruhmes bewährte«. ( Le jour de gloire est arrivé , sie haben schon das Lexikon der Marseillaisesinger.) »Der König hält für seine Pflicht (!), euch von den Fortschritten zu unterrichten, die er zu nehmen gedenkt.« (Nicht mal Deutsch radebrecht die Rasselbande.) »Seine Majestät wollen sich an die Spitze des konstitutionellen Deutschlands stellen« (wo wohnt das?). »Höchstsie wollen Freiheit und Konstitution und haben schleunige Bildung eines deutschen Parlaments beschlossen« (wo? das faule Frankfurter ist ja schon »gebildet«) »und werden sich an die Spitze des Fortschritts stellen« (wo schmierige Fäuste ihn hinstellen) »und rechnen auf den Schutz des Volkes.« Ein Preußenkönig mit seiner Armee! Und der Trottel Schwerin fragt noch die eingelernten grünen Papageien: »Ist das nicht auch eure Meinung?« Tausendstimmiges Y–a! »Die Akademiker müssen sich um den deutschen König scharen. Er ist unsere Seele, er und der Fortschritt, die Freiheit sein Gedanke. Die verantwortlichen Minister hoch!« Er läßt sich selbst hoch leben! O läppisch Sammelsurium klingender Phrasen! Der große Volksfreund Graf Mirabeau – pardon, Schwerin – verabschiedet sich hocherhobenen Hauptes, umrahmt von Rektor Müller und Prorektor Hecker, Namensverwandten des süddeutschen Skandalmachers; beide säbelumgürtet und Pistolen aus der Rocktasche baumelnd. Auch ein Professor Dove scheint eine brenzliche Freiheitsleuchte, nach ihm und anderen Lieblingsprofessoren benennen sich die verschiedenen Rotten des Studentenbataillons, damit die weiland Pariser »Sektionen« Marat, Danton und Konsorten hübsch nachgeäfft werden. Am schwarzen Brett sah Otto angeschlagen: »Alle Hörsäle sind zu Versammlungs- und Wachtzimmern der Rotten bestimmt.« Der würdige Rektor ließ den »Herren Kommilitonen«Erfrischungen allerart reichen, um sie bei flotter Revolutionsstimmung zu erhalten. Zum Totlachen oder zum Totschießen!
Er stellte sich den lächerlichen Umzug schwarzrotgoldener Herrlichkeit vor. Der König im Schloßhof am Eingang der Wendeltreppe zu Pferde in Uniform des 1. Garderegiments mit dem Helm, die »deutschen« Farben als Binde um den Arm, dito alle anwesenden Prinzen und Minister! Unermeßlicher Jubel! O gewundener Aufruf an mein Volk: »Es ist keine Usurpation, wenn ich mich zur Rettung deutscher Freiheit und Einheit berufen fühle, ich schwöre zu Gott, daß ich keinen Fürsten vom Thron stürzen will, nur Deutschlands Freiheit will ich schützen, sie muß geschirmt werden mit deutscher Treue auf Grundlage aufrichtiger deutscher Verfassung!« Die Worte »deutsch« und »Freiheit« müssen recht oft vorkommen, damit sich Gedankenlose was dabei denken, ohne zu wissen, was man darunter verstehen soll. Einheit ohne Beseitigung der Welfen und des Kurhessischen Wüterichs und bei Verbrüderung mit
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