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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Berliner Presse. Der einsame Wanderer hatte gut murmeln: »Und hängt ein Kalbsfell um die schnöden Glieder!« Sein Shakespeare hatte in Jack Cade und römischen Tribunen und Plebejern nicht zu kraß gemalt. An der Bahre der gemeuchelten Monarchie gelang vielleicht auch hier eine Leichenrede des Mark Anton, wenn man nur die rechten Fühler ausstreckte und die geeignete Stunde fand. Doch wann? Gleichviel, bei Philippi sehen wir uns wieder.Freilich erinnerte er sich unwillkürlich, als er zur Blücherstatue hinaufsah, daß jener dämonische Haudegen wirklich »für Freiheit und Vaterland« stritt, Studenten und Turner als Freiwillige Jäger hochhielt, den Linienoffizieren seinen Unwillen über Benachteiligung der Landwehr ausdrückte, den offiziellen Trinkspruch auf Schwarzenberg wagte, daß er »zu siegen verstand, obschon er drei Monarchen im Lager hatte«. Das Preußen der Befreiungskriege schien heut verschollene Sage. Junker Blücher würde heut als Revolutionär gelten wie Scharnhorst, Gneisenau, Stein. Nun ja, jeder rechte Kerl muß in seiner Weise Umstürzler sein, doch man kann es auch als Konter-Revolutionär.
    In einiger Ferne zog am Standbild des Großen Kurfürsten, der hoch zu Roß sich über das Schloß seines Schöpfers Schlüter zu wundern schien, weil es so trübselig und grau aussehe, ein Freiheitsheld vorüber mit umgürteter Trikolorenschärpe und andächtigem Geleit begeisterter Anhänger. Wahrhaftig, der ehemalige Studiosus Schramm, jetzt wohlbestallter königlicher Assessor und Weltbefreier von eigenen Gnaden. Otto hörte hinter sich zwei biedere Ackerbürger an einem Laternenpfahl plaudern: »Nu seht mal Schramm! Is am 18. nachts nach Dessau ausgekniffen, un als er dort vom Rückzug der Truppen las, hat er gequatscht, dat sei 'ne eklige Polizeifalle. Nu haben se ihn im Triumphmarsch heimgeholt. So'n fauler Zauber, sagt Kalisch. Aber so jeht's in de Welt, der eene hat'n Beutel, der andere hat dat Jeld. Nu dut er dicke, als wär'n die Soldaten vor ihm verduftet.« Otto lächelte fein über diese Enthüllung demokratischen Ruhmes. Ob Schramm ihn wohl aus der Ferne wiedererkannt hatte?
    Bismarck bummelte jetzt durch die Straßen, um sich die Kampfstätten anzusehen, wo noch viele traurige Spuren sichtbar blieben. Als er in die Jägerstraße abbog, wo ein Hauptgemetzel getobt hatte, flüsterte ihm ein Unbekannter im Vorübergehen zu: »Sie werden verfolgt.« In die Linden zurückgekehrt, hörte er eine Stimme hinter sich: »Kommen Sie mit!« Er drehte sich um und folgte einem Augenwink in die Kleine Mauerstraße. Der Unbekannte, den Hut in die Stirn ziehend, murmelte: »Reisen Sie sofort ab oder Sie werden verhaftet.«
    »Kennen Sie mich?«
    »Gewiß, Sie sind Herr v. Bismarck.« Der Unbekannte trollte sich schnell seines Weges. Der lange Recke schlenderte ruhigen Schrittes weiter. Es stimmte ihn nachdenklich, daß er überall die Polizei höchst freundlich mit den Aufständischen verkehren sah. Die Straßen zeigten übrigens eine auffallende Leere, Wagen fuhren nirgends, überall sah man nur kleine Trupps von Blusenmännern mit schwarzrotgoldenen oder roten Fahnen. Wo die Friedrichstraße eng die Linden querschneidet, gab es einen Triumphmarsch mit Musik für einen Barrikadenhelden, dem ein riesiger Lorbeerkranz über den struppigen Kopf hing. Am Brandenburger Tor stieß er mit einem konservativen Parteigenossen zusammen, der trübseligvorüberschlich und nur verstohlen grüßte. Ihn fragte er leise nach der Ursache, warum so wenig Polizei sichtbar sei. »Die fraternisiert mit dem Pöbel«, raunte der andere leise. »Der Polizeipräsident Minutoli ist höchst verdächtig. Er ist hier riesig populär. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.«
    »Wissen Sie Näheres?«
    »Nur daß Bodelschwingh ihm vor acht Tagen Besorgnisse ausdrückte, es herrsche eine dumpfe Gärung, und Minutoli ihn in eine Volksversammlung vor den ›Zelten‹ führte, die sehr gemäßigt verlief. Damit hat er den Minister eingeseift.«
    »Gräßlich! Ja, wenn ein Polizeipräsident bei Rebellen in Ansehen steht, so ist das unnatürlich. Adieu! Ich fahre ab.«
    »Daran tun Sie Wohl. Gott gebe, daß man mich nicht hörte! Drüben paßt ein Spitzel auf. Machen Sie, daß Sie fortkommen!«
    Aha! dachte Bismarck, die Gefahr und die Warnungen kommen beide von hochlöblicher Geheimpolizei. Offenbar lebt hier alles unter rotem Terror. Hier kann ich doch nichts nützen und nur zwecklos meine Haut zu Markte tragen. Als er über den

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